Intro:
Manche Entwicklungen können noch so lange andauern, man gewöhnt sich nie daran. Kriege. Klimawandel. Und natürlich die allgegenwärtigen Preissteigerungen. Also nicht die für den bevorzugten Streaminganbieter, das neueste Smartphone, Markenschuhe oder andere Luxusartikel. Nein, ich spreche von der Art Produkt wo uns die Inflation vermutlich am meisten schmerzt: Bei den Lebensmittelpreisen. Jetzt, im Sommer 2023, ist – zumindest in meiner Wahrnehmung – zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein Punkt erreicht, an dem ich nicht da Gefühl habe, jedes Produkt ist noch mal deutlich teurer geworden als noch einen Monat zuvor. Und das ist ja auch objektiv ganz richtig: Im Vergleich zu den Jahren 2021 und 2022 sind die Lebensmittelpreise relativ stabil. Aber stabil ist nicht gleich günstiger sondern bedeutet momentan einfach nur gleichbleibend teuer. Und daran müssen wir uns vermutlich einfach gewöhnen und unser Einkaufsverhalten entsprechend anpassen, ob wir wollen oder nicht. Wir möchten Sie mit dem Frust um teure Lebensmittel nicht alleine lassen, und deswegen sprechen meine Kollegin Silvia Monetti und ich heute darüber, wie man die Haushaltskasse trotz Apo-thekenpreisen im Supermarkt etwas entlasten kann. Aber bevor wir zu den hilfreichen Tipps rund um Einkauf und Lagerung kommen, ist es wichtig zu verstehen, wie wir in diese Lage geraten sind, in der Fleischprodukte und Pflanzenöl zeitweilig zu Luxusartikeln wurden. Denn mit einem besseren Verständnis der Sachlage blickt man der nächsten Preiserhöhung entspannter ins Auge. Und sei es nur deswegen, weil Sie nach dieser Podcastfolge wissen welche Alternativen Sie bei der Wahl Ihrer Lebensmittel und Ihres Supermarkts haben. Sie hören genau genommen, der Podcast der Verbraucherzentralen. Mein Name ist Patrick Lohmeier und nun geht’s los.
Patrick Lohmeier: Zu Gast zum Thema Hohe Lebensmittelpreise ist meine Kollegin Silvia Monetti. Hallo, Silvia!
Silvia Monetti: Hallo, Patrick! Schön, hier zu sein.
Patrick Lohmeier: Silvia, du bist Referentin Lebensmittelpreise und Ernährungsarmut bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Zum Stichwort Ernährungsarmut möchte ich dich fragen, ist das bei der Verbraucherzentrale ein großes Thema?
Silvia Monetti: Mittlerweile schon, es ist auf jeden Fall ein Thema, das uns seit Monaten immer mehr begleitet. Die Lebensmittelpreise steigen ja so unfassbar schnell, seit mittlerweile fast zwei Jahren, und das ist natürlich ein Unglück für immer mehr Menschen geworden. Wir erhalten immer mehr Anfragen von Verbrauchern, die uns einerseits erzählen, dass sich die Preise für die Lebensmittel, die sie immer kaufen, verändert haben, und die uns auch sagen, dass sie mit ihrem Geld einfach nicht klarkommen und nicht bis zum Monatsende damit auskommen.
Patrick Lohmeier: Du hast bereits einen Zeitraum von zwei Jahren genannt. Gibt es bestimmte Ereignisse oder Zeitpunkte, an denen man das Phänomen steigender Lebensmittelpreise festmachen kann?
Silvia Monetti: Ja, die gibt es tatsächlich. Ein erster ganz wichtiger Zeitpunkt ist Juni 2021, da gab es den ersten großen Anstieg der Lebensmittelpreise, nachdem die Ernte sehr schlecht ausfiel. Der Krieg in der Ukraine hat die Lage natürlich deutlich verschärft. Die Lebensmittelpreise steigen aber schon seit dem Sommer 2021 deutlich. Die Teuerung betrifft insbesondere seit April 2022 die Lebensmittel, die ungefähr um über 22% teurer geworden sind als vor einem Jahr. Das ist ein absoluter Rekordwert, den wir noch nicht hatten.
Patrick Lohmeier: Wow!
Silvia Monetti: Genau, Juni 2021 und März 2023 sind auf jeden Fall zwei ganz wichtige Zeitpunkte. Die Teuerung scheint ein bisschen nach unten zu gehen, im April dieses Jahres betrug sie ungefähr 17%. Die Preise bleiben zwar sehr hoch, steigen aber nicht mehr so schnell wie in der Vergangenheit. Das liegt einerseits daran, dass die Preise von Produkten wie zum Beispiel Sonnenblumenöl, Rapsöl, Gurken, Tomaten und Auberginen, also Gemüse, das jetzt im Sommer langsam Saison hat, in den letzten Monaten deutlich gesunken sind. Es gibt jedoch keinen automatischen Rückgang der Teuerung im Jahr 2023 im Vergleich zum Jahr 2022. Einige Lebensmittel bleiben teuer oder steigen sogar noch ein bisschen an. Das heißt, die Preise sind bei uns immer noch sehr hoch und werden vorerst auch nicht sinken. ,
Patrick Lohmeier: Ich glaube, das ist für einen Laien wie mich und vielleicht auch für einige Menschen, die uns heute zuhören, oft schwer verständlich, dass von Seiten der Medien kommuniziert wird, dass die Inflation oder die hohe Inflationsrate so langsam ausgebremst ist, die Preise nicht mehr so deutlich steigen wie früher, was ja auch richtig ist. Die Preise steigen nicht mehr ganz so deutlich wie früher und es ist ja auch so, objektiv betrachtet, ist die Teuerungsrate dieses Jahr im direkten Vergleich zum Vorjahr geringer als im Vorjahr zum Vorvorjahr. Aber ganz subjektiv merke ich natürlich, dass alles weiterhin teurer wird. Das führt zu der Frage: Was sind die wichtigsten Kennzahlen, was muss ich mir als Verbraucher merken?
Silvia Monetti: Ja, das ist nicht einfach zu verstehen. Die Energie dämpft auf jeden Fall die gesamte Inflation jetzt gerade, aber wir reden hier meistens über Jahresvergleiche, und die Preise waren im Jahr 2022 schon deutlich höher als in 2021. Es ergibt sich automatisch ein Anstieg der gesamten Teuerung. Zwei wichtige Kennzahlen in unserem Gespräch heute sind der Verbraucherpreisindex und die Inflationsrate.
Silvia Monetti: Der Verbraucherpreisindex misst die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte in Deutschland kaufen. Er wird mit einem sogenannten Warenkorb bestimmt, der nur bestimmte Güter und Dienstleistungen enthält, die Privathaushalte typischerweise kaufen, wie zum Beispiel Lebensmittel, Bankgebühren, Schuhe, Haftpflichtversicherung usw. Die Veränderung des Verbraucherpreisindex im Vergleich zum Vorjahresmonat bzw. Vorjahreszeitraum wird als Inflationsrate bezeichnet.
Silvia Monetti: Im Fall von Lebensmitteln gibt es eine Verzerrung, da wir immer über den Vergleich zum Vorjahresmonat sprechen, aber die Preise steigen mittlerweile seit zwei Jahren. Zum Beispiel ergibt sich bei einem erweiterten Vergleichszeitraum von Mai 2023 zu Juni 2021 eine Teuerung von über 28%, also doppelt so hoch. Das ist eine ganz andere Nummer.
Silvia Monetti: Und dazu kommt, dass Verbraucher die Inflation hauptsächlich über die Preise für Dienstleistungen und Konsumgüter wahrnehmen, die sie am meisten kaufen. Auf Luxusgüter können wir verzichten. Aber Dinge wie Milch, Brot, Mehl, die sind alle deutlich teurer geworden, und darauf kann man eben nicht verzichten. Und wenn wir über zwei Jahre hinweg schauen, sind die Preise im Durchschnitt um knapp 30% gestiegen, und das betrifft vor allem Lebensmittel.
Patrick Lohmeier: Ja, klar, und die Reallöhne können da nicht Schritt halten. Ich glaube kaum, dass die meisten Arbeitgeber in den letzten 24 Monaten die Gehälter im Durchschnitt um knapp 30% angepasst haben.
Silvia Monetti: Ja. Und manche wissen auch nicht, wie es weitergehen soll. Das ist problematisch, weil eigentlich alle Lebensbereiche betroffen sind. Besonders stark merkt man es bei den Energiepreisen. Letztes Jahr sind sie explodiert. Die Regierung hat natürlich auch schnell ein Entlastungspaket geschnürt. Die Lage war wirklich sehr dramatisch. Aber die Preissteigerungen im Lebensmittelbereich summieren sich zu den teuren Energiepreisen, sozusagen, und das führt zur aktuellen Inflation.
Patrick Lohmeier: Ja, verstehe. Du hast von einer Steigerung von 28% bei Lebensmitteln im Durchschnitt in den letzten zwei Jahren gesprochen. Aber das trifft ja nicht gleichermaßen auf alle zu. Du hast gesagt, dass einige Produkte noch stärker im Preis gestiegen sind. Welche Lebensmittelgruppen sind denn die Hauptpreistreiber? Welche Lebensmittel sind am stärksten von Preissteigerungen betroffen?
Silvia Monetti: Wir haben gesehen, dass alle Lebensmittelgruppen, einschließlich Grundnahrungsmittel, von den aktuellen Preissteigerungen betroffen sind. Das macht die Situation problematisch, da es keine Ausweichstrategie gibt. Wir sprechen hier über Milch, Joghurt, Brot, Mehl, Gemüse - Dinge, die jeder von uns im Leben braucht. Was wir auch beobachtet haben, ist, dass vor allem die Preise von tierischen Produkten stark gestiegen sind. Das liegt hauptsächlich daran, dass sie besonders energieintensiv sind. Zum Beispiel werden Düngemittel und Pflanzenschutzmittel benötigt, um Tierfutter herzustellen. Die Preise für diese Produkte sind stark angestiegen, da sie viel Energie zur Herstellung benötigen.
Silvia Monetti: Hinzu kommt, dass die Energiepreise explodiert sind. Russland spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Versorgung mit Düngemitteln und anderen landwirtschaftlichen Faktoren. Dies hat sich auch beim Sonnenblumenöl bemerkbar gemacht, da die Ukraine ein wichtiger Produzent ist. Der Krieg hat dabei eine Rolle gespielt und spielt immer noch eine Rolle bei den Preissteigerungen. Es gibt also viele Gründe für die Preissteigerungen, aber nicht alle lassen sich allein auf höhere Energiepreise oder gestörte Lieferketten oder höhere Kosten aufgrund von Anpassungen erklären. Es gibt den Verdacht, und mittlerweile gibt es auch einige Studien und Analysen, dass einige Unternehmen die Gelegenheit genutzt haben, um die Preise mehr als nötig anzuziehen, also die inflationäre Umgebung ausgenutzt haben.
Patrick Lohmeier: Okay. An diese sogenannten Mitnahmeeffekte können wir gleich anknüpfen. Was du gerade über die steigenden Preise, insbesondere bei tierischen Produkten oder pflanzlichen Speiseölen, gesagt hast. Als Verbraucher haben wir in den letzten Monaten eine Verknappung erlebt. Ich weiß nicht, ob es Lieferengpässe gab, aber es gab definitiv eine Verknappung. Ich glaube, das war bei Mehl und Speiseölen der Fall. In solchen Situationen ist es wichtig, einen vernünftigen Umgang damit zu haben. Wir sollten uns bewusst sein, dass bestimmte Produkte sehr gefragt sind und die Regale manchmal leer sein können. Wie sollten wir damit umgehen?
Silvia Monetti: In den letzten Monaten gab es bei uns keinen Mangel an Lebensmitteln.
Patrick Lohmeier: Okay, also das ist ganz wichtig: Nicht in Panik ausbrechen!
Silvia Monetti: Ja, nicht in Panik ausbrechen, denn es gab zwischenzeitlich Lieferengpässe und die Nachfrage ist so stark gestiegen, dass die Hersteller nicht hinterherkamen. In Deutschland gibt es 40 Millionen Haushalte, wenn jeder Haushalt eine Packung Mehl mehr kauft als üblich, ergibt sich eine Nachfrage von zwei mal 40 Millionen Kilo Mehr. Das ist natürlich enorm. Hamsterkäufe sind nicht nötig und verschärfen die Lage. Falls zwischendurch die Regale leer bleiben, kann man zum Beispiel auf andere Speiseöle wie Olivenöl zurückgreifen. Hier gibt es keine Engpässe und der Preis ist vergleichsweise weniger stark gestiegen.
Patrick Lohmeier: Das mit dem Olivenöl ist ein wichtiger Tipp. Vor allem, wenn man sich daran erinnert, was zeitweise passiert ist, dass private Personen auf digitalen Marktplätzen versucht haben, Pflanzenöle für 14 bis 15 Euro pro Flasche zu verkaufen. Das hat wirklich seltsame Blüten getrieben und war zeitweise wirklich unangenehm zu beobachten.
Silvia Monetti: Ja, das war wirklich verrückt. Es gab Menschen, die eine Flasche Sonnenblumenöl für 17 Euro auf Ebay oder anderen Plattformen kaufen wollten, und die Flasche war vielleicht schon geöffnet. Da waren viele unsicher, ob sie es noch konsumieren können oder nicht. In solchen Fällen sollte man auf alternative Produkte zurückgreifen oder vielleicht 1 bis 2 Wochen warten, bis die Regale wieder mit Sonnenblumenöl aufgefüllt sind.
Patrick Lohmeier: Aber solche Einzelfälle von Privatpersonen, die diese vermeintliche Notlage ausnutzen wollten, sind eher in der Minderheit oder zumindest nicht bedeutend, wenn man sich die großen Unternehmen und Konzerne ansieht. Im Hinblick auf diese Mitnahmeeffekte: Gibt es Unternehmen, die durch ungerechtfertigte Preiserhöhungen im Zuge der Inflation, die wir alle gerade spüren, vor allem im Lebensmittelbereich, profitieren möchten.
Silvia Monetti: Leider können wir aktuell nicht genau sagen, welche Unternehmen das sind. Das Problem ist, dass die Preisbildung von Lebensmitteln extrem intransparent ist. Es gibt jedoch viele Anzeichen dafür, dass Mitnahmeeffekte stattfinden. Mitnahmeeffekte bedeuten, dass einige Unternehmen versuchen, nicht nur ihre Mehrkosten über die Endpreise an Verbraucher weiterzugeben, sondern auch die gestörten Lieferketten, höhere Transportkosten usw. nutzen, um die Preise übermäßig zu erhöhen und so ihre Gewinne zu steigern.
Silvia Monetti: Die Intransparenz der Preisbildung spielt hier eine entscheidende Rolle, da wir nicht genau wissen, wie die Preise von Lebensmitteln zustande kommen. Wir haben nur begrenzte Informationen über die Verhandlungen zwischen Herstellern und Händlern, da dies eine Blackbox ist. Insbesondere in Deutschland sind viele große Lebensmittelunternehmen nicht öffentlich gehandelt, so dass sie keine Informationen veröffentlichen müssen. Daher wissen wir nicht, ob Absprachen stattfinden oder stattgefunden haben und ob sie gerechtfertigt waren. Es ist wichtig zu betonen, dass es Untersuchungen gibt, und wir sehen dies anhand der Gesamtwirtschaftsdaten, die auf einen inflationären Druck hindeuten. Das Bundeskartellamt sollte dringend aktiv werden, um die Situation zu überprüfen.
Patrick Lohmeier: In diesem Zusammenhang stellt sich mir auch die Frage, was die Konzerne und Anbieter eigentlich treiben. Wenn ich an den Energiesektor denke, sehen wir oft, dass Tankstellen sich gegenseitig bei den Preisen beobachten und anpassen. Gibt es im Lebensmittelbereich ähnliche Beobachtungen? Finden dort Absprachen statt? Hast du dazu Informationen?
Silvia Monetti: Die Anbieter dürfen sich natürlich nicht absprechen. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass Unternehmen ähnliche Preiserhöhungen vornehmen. In solchen Fällen ist das Bundeskartellamt zuständig. Die Unternehmen haben jedoch oft keinen Grund, sich abzusprechen. Sie können sehen, dass ihre Einkaufspreise gestiegen sind und beobachten, dass die Preise bei ihren Konkurrenten ebenfalls gestiegen sind. In solchen Fällen setzen sie ihre Preise entsprechend an. Es gibt nur sehr wenige große Unternehmen, die den Markt beherrschen, und die Konkurrenten richten sich oft danach. Besonders bei Produkten im Einstiegssegment, in Discountern und Supermärkten, ist es oft so, dass selbst kleinste Preisdifferenzen von 1 Cent auffallen. Das haben wir in diesem Jahr festgestellt.
Patrick Lohmeier: Das klingt sehr interessant. Ich weiß, du hast diese Untersuchung in Nordrhein-Westfalen durchgeführt, aber ich nehme an, dass es bundesweit ähnliche Tendenzen gibt. Erzähl doch bitte mehr darüber.
Silvia Monetti: Wir haben die Untersuchung im März in fünf Großstädten in NRW durchgeführt. Wir haben einen Warenkorb mit 19 Produkten zusammengestellt, darunter Obst, Gemüse, Milch, Öl und Butter. Dann haben wir die Preise dieser Produkte in verschiedenen Filialen von Supermärkten und Discountern überprüft. Dabei haben wir vor allem Basics-Produkte verwendet und keine besonderen Qualitätsmerkmale berücksichtigt. Zum Beispiel haben wir Eier aus Bodenhaltung genommen, keine Bio-Eier. Wir haben uns auf Grundnahrungsmittel konzentriert, die für die Menschen finanziell erschwinglich sind. Das Ergebnis der Stichprobe hat uns sogar überrascht. Wir haben bei den meisten Produkten Preisunterschiede von bis zu 400% zwischen den verschiedenen Filialen festgestellt. Es gab sogar Fälle, in denen ein Produkt an einem Ort 86 Cent kostete und an einem anderen Ort zur gleichen Uhrzeit fünf Euro.
Silvia Monetti: Es gibt natürlich Unterschiede, bei denen man sich fragt, wie sie zustande kommen. Die Unternehmen haben die Freiheit, ihre Preise festzulegen, und die Kooperationen sind in der Regel nicht öffentlich. Wir leben in einer freien Marktwirtschaft, und das ist in Ordnung so. Aber es stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass ähnliche Produkte so große Preisunterschiede aufweisen, dass man am Ende den Unterschied auf dem Kassenbon bemerkt. Es ist auch aufgefallen, dass Discounter oft nicht die günstigste Option waren. Gerade bei Butter, Sonnenblumenöl oder Gemüse hatten manche Discounter die teuersten Preise. Es lohnt sich also, die Preise zu vergleichen.
Patrick Lohmeier: Ich finde diesen Marktcheck sehr spannend, weil es Erkenntnisse sind, die man im Bereich Lebensmittel und Grundnahrungsmittel nicht unbedingt erwartet hätte. Man kennt es eher aus dem Luxusgütersegment, dass beispielsweise eine Luxusuhr das Hundertfache einer günstigen Uhr kostet oder ein Marken-T-Shirt fünfmal so viel wie ein T-Shirt von einer Fast-Fashion-Kette. Aber dass beispielsweise eine Packung Reis von einer Eigenmarke weniger als ein Euro kostet und eine andere Marke, obwohl sie sogar aus derselben Quelle stammt, fünfmal so teuer ist, ist wirklich überraschend und erschreckend.
Silvia Monetti: Das war auch mein Eindruck.
Patrick Lohmeier: Okay, aber genug von diesen erschreckenden Erkenntnissen. Ich denke, jeder von uns geht auch weiterhin in den Supermarkt und erledigt den Wochenendeinkauf. Nun zu den Tipps, die wir als Verbraucherzentrale bzw. du heute im Gespräch zum Umgang mit Preissteigerungen im Bereich Lebensmittel und Essensbereich geben möchtest.
Silvia Monetti: Es gibt ein paar Dinge, die man beachten kann und praktizieren sollte. Der erste Punkt ist auf jeden Fall, die Preise zu vergleichen, und zwar die Grundpreise, also die Preise pro Liter oder pro Kilo, die oft neben dem Produktpreis zu finden sind. Diese ermöglichen einen echten Vergleich. Es ist auch wichtig, den Einkauf zu planen, indem man sich überlegt, was man essen möchte und zu Hause bereits vorhanden ist. Ein Blick in den Kühlschrank und die Vorratsschränke hilft dabei. Nachdem man alle Vorräte überprüft hat, kann man eine Einkaufsliste schreiben, um spontane und möglicherweise unnötige Einkäufe zu vermeiden. Sonderangebote sind auch eine gute Möglichkeit, Geld zu sparen, insbesondere bei Lebensmitteln, die gut gelagert werden können, wie Trockenprodukte. Man kann sie dann zu Hause auf Vorrat haben. Wenn am Ende des Tages Gemüse oder leicht verderbliche Produkte im Angebot sind, kann man zugreifen und ein paar Euro sparen. Eigenmarken sind auch immer eine gute Option, da sie günstiger sind als Markenprodukte, und es gibt oft keinen Qualitätsunterschied. Die Stiftung Warentest hat das in einem Vergleich von 786 Marken- und 628 Eigenmarkenprodukten gezeigt. Es ist auch wichtig, Lebensmittel richtig zu lagern, damit sie länger frisch bleiben. Auf unserer Webseite haben wir dazu das Lagerungs-ABC, das nützliche Tipps enthält. Zum Beispiel sollten Kartoffeln und Zwiebeln getrennt gelagert werden, Joghurt gehört nicht in den Kühlschrank, und Obst, das neben Bananen gelagert wird, reift schneller. Ein Blick in das Mindesthaltbarkeitsdatum kann auch helfen, da Produkte oft günstiger angeboten werden, wenn man sie zeitnah verzehren möchte.
Patrick Lohmeier: Das klingt alles sehr sinnvoll. Unter anderem findet man bei der Verbraucherzentrale das Lagerungs-ABC, was sehr hilfreich ist. Damit uns niemand den Vorwurf machen kann, wir sprechen nur über Mehl, Eier und Fleischprodukte als unverzichtbare Lebensmittel: Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass eine gesunde Ernährung und nachhaltige Einkaufsgewohnheiten dazu beitragen können, der Inflation entgegenzuwirken. Hast du noch ein paar Tipps für uns?
Silvia Monetti: Gerne. Es ist interessant zu wissen, dass eine gesunde Ernährung oft automatisch auch nachhaltig ist. Indem man frische Lebensmittel kauft und selbst kocht anstatt auf Fertiggerichte oder "to-go"-Optionen zurückzugreifen, trägt man zur Nachhaltigkeit bei. Diese "to-go"-Produkte können sich schnell summieren, zum Beispiel wenn man jeden Tag ein Brötchen oder einen Kaffee unterwegs kauft. Am Ende des Monats kann man mit dem Geld, das man dadurch spart, definitiv einige Tage gut einkaufen. Es hilft auch, tierische Lebensmittel ganz oder teilweise durch pflanzliche Alternativen zu ersetzen. Gerade Gemüse- und Obstsorten sind oft günstiger und man muss nicht unbedingt auf Geschmack oder Qualität verzichten. In den Markchecks, die wir durchgeführt haben, konnten wir feststellen, dass diese Behauptung, dass Obst und Gemüse genauso teuer oder sogar teurer sind, nicht zutrifft. Die Nährstoffzusammensetzung mag unterschiedlich sein, aber wenn man häufiger Obst und Vollkornprodukte isst, kann man sich gut und gesund ernähren und dabei weniger Geld ausgeben. Auch bei Getränken gibt es Sparpotential. Leitungswasser ist hundertmal günstiger als abgepacktes Mineralwasser. Mit 10 € kann man zwei bis 20 Liter Mineralwasser kaufen, abhängig von der Marke und dem Ort des Kaufs. Mit dem gleichen Geld könnte man etwa 4000 Liter Leitungswasser bekommen, und man muss es nicht schleppen, sondern es kommt direkt aus dem Wasserhahn in der Küche.
Patrick Lohmeier: Ich vermute, dass die Preise für Gemüse nicht in ähnlichem Maße gestiegen sind wie für Fleisch, aber die Menschen kaufen Gemüse und Obst nicht saisonal ein, sondern gehen im Januar oder Februar in den Supermarkt und wollen frische Tomaten haben und stellen dann schockiert fest, dass sie 5 € pro Kilo kosten. Aktuell sind die Kosten für Gemüse relativ niedrig. Ich kenne jedoch auch Menschen, die darauf überhaupt nicht achten und Gemüse unabhängig von saisonalen Angeboten kaufen, und dann beklagen sie sich, dass alles unbezahlbar geworden ist. Eine Alternative wäre es, auf saisonales Gemüse umzusteigen. Fleisch hat immer Saison, die Preise für Fleisch bleiben im Jahresvergleich relativ konstant, aber beim Gemüse ist das anders.
Silvia Monetti: Jein, die Preise für Gemüse schwanken ständig und sind besonders wetterabhängig. Im Winter sind Energiekosten oft hoch und es gab Unwetter in Gebieten wie China und dem Mittelmeer, von wo Paprika und Tomaten stammen. Die Preise für diese Gemüsesorten sind im Winter tendenziell höher. Wenn man jetzt unbedingt Paprika oder Erdbeeren essen möchte, muss man bedenken, dass viel Energie für Produktion, Transport und Verpackung benötigt wird, was zu höheren Preisen führt. Wenn wir uns die Preiserhöhung insgesamt anschauen, sehen wir, dass tierische Produkte im Vergleich zu Obst und Gemüse tatsächlich teurer geworden sind.
Patrick Lohmeier: Alles klar, Silvia, vielen Dank. Was auch noch wichtig und interessant wäre für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer ist, dass wir nicht nur auf individueller Basis in der Verbraucherzentrale zu diesem Thema beraten, sondern uns auch auf regionaler und bundesweiter Ebene für bestimmte Maßnahmen zur Preisentwicklung von Lebensmitteln einsetzen. Kannst du uns dazu etwas sagen?
Silvia Monetti: Danke für die Frage. Das gehört zu unserer Arbeit der Interessenvertretung. Wir haben die stark gestiegenen Lebensmittelpreise thematisiert und unsere Forderungen an die Politik kommuniziert. Das Papier dazu kann auf unserer Webseite eingesehen werden.
Patrick Lohmeier: Aus dies werden wir verlinken. Bei Interesse können die Zuhörerinnen und Zuhörer dort gerne nachschauen. Vielen Dank für die Aufklärung über viele Mythen im Bereich der Lebensmittel-Preiserhöhungen, denen ich auf den Leim gegangen bin und die du nun entzaubert hast. Und vielen Dank für die vielen wichtigen Tipps, die du uns gegeben hast. Danke, Silvia!
Silvia Monetti: Danke für die Einladung.
Outro:
Danke für Ihr Interesse an unserem heutigen Gespräch über hohe Lebensmittelpreise. Und natürlich möchte ich mich allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die die Produktion dieser Podcast-reihe ermöglichen. Viele weitere Folgen von genau genommen können Sie in so gut wie allen Podcatchern und Audio Apps hören, wo Sie uns kostenlos abonnieren können. Wenn Sie uns bereits in einer App wie Spotify, Apple Podcast, Amazon Music oder Audible hören und Ihnen unser Format gefällt, bewerten Sie uns doch mit ein paar Sternchen. Darüber würde ich mich sehr freuen. Weitere Informationen und Tipps rund Lebensmittel, deren Anbieter und gesunde Ernährung fin-den Sie unter www.verbraucherzentrale.de. In ein paar Tagen gibt es eine neue Podcastfolge rund um Ihre Verbraucherrechte. Bis dahin erreichen Sie mich für Feedback und Themenwünsche per E-Mail an podcast@vz-bln.de. Dies war genau genommen – Der Podcast der Verbraucherzentralen, mein Name ist Patrick Lohmeier und freue mich aufs Wiederhören