Dorian Lötzer: Als ich den Begriff „Spionagespielzeug“ gehört habe, dachte ich zuerst an ein Set von Lupe, Monokel und Pfeife für Kinder. Tatsächlich geht es hier aber um etwas deutlich ernsteres, nämlich um intelligentes Spielzeug, dass Daten über uns und unsere Kinder weitergeben kann.
Was das jetzt genau bedeutet, wie es funktioniert und wie wir erkennen, welches Spielzeug wir lieber nicht unseren Kindern schenken sind Thema der heutigen Folge.
Mein Name ist Dorian Lötzer, willkommen bei Genau Genommen.
Viele Alltagsgegenstände werden immer intelligenter. Egal ob Lautsprecher, Fernseher, Lampen oder Handys – viele Wohnungen werden immer verbundener mit dem Internet. Das gilt aber nicht nur für unsere Produkte, sondern auch die unserer Kinder.
Jennifer Kaiser: Bei dem Spionage Spielzeug da handelt es sich zum Beispiel um Spielsachen wie Teddy, Bären oder Puppen oder Roboter. Und diese Spielsachen sind aber mit Sensoren, Kameras und oder Mikrofonen ausgestattet und können so durch diese zusätzlichen Features quasi mit den Kindern kommunizieren, Fragen stellen oder auch Antworten geben.
Dorian Lötzer: Bei Jennifer Kaiser, die hier spricht, habe ich angerufen, um herauszufinden, was Spionagespielzeug überhaupt ist. Sie ist Expertin aus der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz und hat mir erklärt, dass auch wenn man bei „intelligentem Spielzeug“ an Roboter denken mag, vermehrt die klassischen Puppen und Teddys gemeint werden. Hier geht es in erster Linie nämlich darum, das Spielen an sich für die Kinder interaktiver zu gestalten.
Jennifer Kaiser: Ja, also diese Spielzeuge werden natürlich primär dazu genutzt, quasi eine intelligentere Spielart mit dem Kind aufzubauen. Also, man kennt das ja noch von den eigenen Zeiten, dass man 2 Puppen in Händen hielt und hat dann mit denen quasi miteinander gespielt hat, die Puppen vielleicht sprechen lassen oder man hat selber seiner Puppe den Tee serviert und hat dann als Kind mit der Puppe gesprochen. Und bei den Smart Toys ist es so, dass sie einfach eine viel größere Kommunikationssphäre haben, weil man eben der Puppe vielleicht auch Befehle geben kann. Oder man kann eben Fragen stellen, die dann auch intelligent beantwortet werden können und ja, das sind diese Zusatzfunktionen, die diese Smart Toys einfach haben.
Dorian Lötzer: Diese Zusatzfunktionen sind für diese Folge unser Knackpunkt. Damit der Teddy mir antworten kann, muss er nämlich erst mal in der Lage sein, mich zu verstehen. Und um mich zu verstehen, muss er mich auch aufnehmen können. So schnell ist dann aus einem einfachen Teddy ein Mikrofon geworden, dass ich einem Kind an die Hand gebe.
Aber ich möchte nicht alle Smart Toys als Abhörgeräte generalisieren. Eine grundsätzliche Unterscheidung muss nämlich zum Beispiel zwischen vernetztem und unvernetztem Spielzeug gemacht werden.
Jennifer Kaiser: Es gibt natürlich Spielzeuge, die auch intelligent sind, die auch kommunikationsfähig sind, aber die ihre Daten eben nur lokal verarbeiten. Das heißt im Spielzeug selbst. Es besteht also keine permanente Verbindung über das Internet zu den Servern der Hersteller. Und bei diesen Spielzeugen ist natürlich die Gefahr, dass die Daten weiterverarbeitet werden, eben nicht gegeben. Anders als bei dem smarten Spielzeug, das eine permanente Internetverbindung hält und eben diese Daten, die es sammelt, während des Spielens, oder während es einfach vielleicht sogar nur rumliegt und diese Daten dann eben an dritte Server übermittelt werden.
Dorian Lötzer: Wer die Wörter „Daten“ und „Server“ hört, weiß, worauf ich jetzt hinauswill: Die gute alte Datensicherheit. Unsere Daten werden oft nicht nur bei der Nutzung aufgenommen, sondern schon vorher.
Jennifer Kaiser: Also bei der Nutzung von solchen Smart Toys muss natürlich ganz zu Beginn schon mal eine Registrierung vorgenommen werden. So wie wir das von allen online Accounts kennen, wenn man etwas aus dem Internet Bereich nutzen möchte, muss man sich immer irgendwie anmelden. Und dass es auch hier bei diesen Spielzeugen der Fall. Man muss also entweder als Erziehungsberechtigter oder als Schenker nicht nur allgemeine personenbezogene Daten wie Name, Alter oder Geburtsdatum preisgeben, sondern je nach Spielzeug, auch noch des Kindes, das das Spielzeug dann nutzen soll, eben damit das Spielzeug altersgerecht auf eben dieses Kind dann eingehen kann.
Dorian Lötzer: Man muss also im ersten Schritt sich überlegen, ob man für den neuen Teddy diese Daten hergeben möchte. Das sind aber auch nur die Daten, die zum Beginn der Nutzung übergeben werden. Bei vernetzten, also ständig verbundenen Spielzeugen, sind das aber längst nicht alle erhobenen Daten.
Jennifer Kaiser: Bedenklich werden diese Spielzeuge im Hinblick auf die Datenverarbeitung natürlich immer dann, wenn zum Beispiel auch Daten wie Gesprächsaufzeichnungen oder Fotos verarbeitet werden können. Weil das natürlich dazu führt, dass wenn dieses Spielzeug nicht diese Daten lokal verarbeitet, sondern zum Beispiel auf externe Server weiterleitet, dass eben diese wirklich sensiblen Gesprächsaufzeichnungen und Fotos einfach an Externe weitergegeben werden und dann natürlich je nach Verarbeitungsregelung dazu führen können, dass man dann auch zum Beispiel mit personalisierter Werbung rechnen muss, die dann gezielt auf die Informationen, die durch das Spielzeug übertragen werden, dann wieder quasi zu mir zurückgespiegelt werden.
Dorian Lötzer: Die personalisierte Werbung ist aber nicht die einzige Konsequenz. Wenn zum Beispiel die Bluetooth-Verbindung offen ist und kein Passwort benötigt wird, könnte theoretisch jede Person in der Nähe des Teddys sich verbinden und im schlimmsten Fall Zugang zu den Daten kriegen oder direkt mit dem Kind Kontakt aufnehmen.
Neben diesem direkten Zugang zu dem Spielzeug gibt es auch Risiko bei den Daten, die schon beim Hersteller liegen. Da muss man sich quasi blind auf dessen IT-Sicherheit verlassen. Die ist nicht immer wasserdicht. Zum Beispiel gab es schon Fälle, bei denen diese Daten nicht ausreichend geschützt worden und dann Hackerangriffen zum er fielen. Wenn Kriminelle diese Daten erst mal haben, können schon Kinder Opfer von Identitätsdiebstahl werden.
Und selbst wenn wir das Risiko des Datenmissbrauchs beiseitelegen, müssen wir uns grundlegend darüber im Klaren sein, dass es Unterschiede gibt, zwischen unserer Beziehung zu unseren Geräten und der von Kindern. Einen Unterschied, den ich hier in den Fokus setzen möchte, ist was genau wir unseren Geräten denn sagen. Als Erwachsene können wir Vor- und Nachteile von Smart Geräten abwägen und informierte Entscheidungen treffen. Ich kann sagen „weißt du was, mir ist egal, dass eine Firma weiß, welche Musik ich gerne höre. Mir gefällt, dass ich sie per Sprachbefehl anmachen kann.“ Oder ich lasse mir vielleicht eine Einkaufsliste erstellen.
Das ist nicht unbedingt das, was mein kleiner Neffe seinem smarten Teddy erzählen würde.
Jennifer Kaiser: Vom Prinzip her muss man sich einfach darüber im Klaren sein, man weiß ja nicht, was das Kind genau spielt. Man ist ja nicht unbedingt immer anwesend, man kriegt vielleicht nicht mit welchen intimen Wünschen, Träume oder Phantasien ein Kind während des Spielens eben offenbart. Und wenn ein solches Spielzeug eben die Hauptaufgabe natürlich hat, diese Daten zu verarbeiten und diese an externe Server weitergibt, weil eben eine permanente Internetverbindung besteht, dann führt das natürlich dazu, dass diese Daten einfach aus der Hand gegeben werden. Und da sollte man sich natürlich als Schenkender oder als Elternteil einfach bewusst sein, ob man das tatsächlich möchte, dass wirklich diese intimsten Gedanken einfach weiter transportiert werden.
Dorian Lötzer: Das kann jetzt so klingen, als ob ich jedem raten würde, nur noch analoge Spielsachen zu schenken. Das will ich aber gar nicht. Viel mehr ist mir wichtig, dass wir uns im Klaren darüber sind, was wir schenken und uns vorab dementsprechend informieren.
Worauf man dabei konkret achten sollte, hat Jennifer Kaiser mir auch gesagt.
Jennifer Kaiser: Ja, also vor dem Kauf sollten die Funktionen solcher Spielzeuge auf jeden Fall überprüft werden. Wenn ich das nicht schon anhand der Verpackung mir ein bisschen zusammenreimen kann, was das Gerät genau kann, was ich davon vielleicht abstellen kann, dann lohnt sich natürlich auch immer noch mal ein Blick über die Internetsuchmaschine, ob es nicht da auch Erfahrungen oder weitergehende Informationen gibt. Und ich muss mir natürlich Gedanken darüber machen, ob diese ständige Verbindung ins Internet bestehen muss oder ob ein solches Spielzeug auch zumindest eingeschränkt nutzbar ist, ohne dass eine permanente Internetverbindung besteht. Und ich sollte natürlich auch immer einen Blick in die Datenschutzerklärung werfen, um zu sehen, wie viele von meinen persönlichen Daten oder von den personenbezogenen Daten müssen tatsächlich preisgegeben werden, um dieses Spielzeug nutzen zu können.
Dorian Lötzer: Die zentrale Frage hier ist natürlich: Ist dieses Spielzeug dauerhaft vernetzt oder kann ich diese Einstellungen auch beliebig abschalten. Und natürlich auch: Welche Daten werden überhaupt bei Registrierung und Nutzung erhoben?
Neben der Datenfrage ist aber auch „steuern“ ein gutes Stichwort. Im Idealfall wird uns nämlich die Möglichkeit gegeben, selbst auszusuchen, was wie aufgenommen und genutzt wird.
Jennifer Kaiser: Es kommt natürlich immer ganz entscheidend darauf an, was in der Datenschutzerklärung von dem Hersteller oder dem Anbieter eben verlangt wird und da sollte man auf jeden Fall einen Blick reinlegen. Bei den Smart-Toys ist es einfach so, dass Bild und Audiodateien natürlich einen bestimmten Zweck verfolgen. Aber man muss als Nutzer oder als Schenkender eben die Möglichkeit haben, diese Funktionen zu steuern. In dem Moment, wo mir diese Möglichkeit eben genommen wird und heimlich zum Beispiel Bild- oder Audiodateien weitergegeben werden oder mitgehört werden, dann handelt es sich um sogenannte Sendeanlagen, und diese werden dann durch die Bundesnetzagentur als verbotene Spielzeuge eingestuft und dürfen in Deutschland auch nicht verkauft werden.
Dorian Lötzer: Das immer größere Teile unseres Lebens digitalisiert und vernetzt werden, ist glaube ich unvermeidlich. Ich möchte auch gar nicht in den Raum stellen, dass das per sé etwas Schlechtes ist. Vielmehr geht es mir darum, dass der Fortschritt verantwortungsvoll betrieben wird und uns bewusst ist, was er für uns bedeutet.
Insbesondere wenn es um Kinder geht, stehen wir dabei in der Verantwortung. Daher ist es wichtig, dass wir gut überprüfen, was wir ihnen geben. Das gilt eben auch für das Spielzeug, dass wir kaufen. Wenn es ein Smart Toy sein soll, sollten wir daher mindestens zwei Sachen gut überprüfen:
Erstens: Wie funktioniert mein Gerät? Ist es ständig vernetzt? Welche Daten geben ich und das Kind bei der Registrierung und in der Nutzung auf?
Zweitens: Welche Kontrolle habe ich? Kann ich selbst entscheiden, welche Daten gespeichert und wie die benutzt werden?
Sofern man selbst zufrieden mit den Antworten auf diese Fragen ist, kann man guten Gewissens zugreifen.
Mehr Informationen zu Spionagespielzeug, Datenschutz und vielen weiteren Themen gibt es auf verbraucherzentrale.de. Wenn euch die Folge gefallen habt, könnt ihr gerne den Podcast in eurem Lieblingsplayer abonnieren.
Kontaktieren kann man uns per E-Mail an podcast@vz-bln.de.
Mein Name ist Dorian Lötzer und heute haben wir Spionagespielzeug genau genommen.