Barbara: Ja, und so kamen halt die 700.000 Euro zustande, die ich dann ihm überwiesen hatte. Und dann… Ja, und dann hat sich das ruckizucki so hoch katapultiert auf 2,2 Millionen.
Oliver Hoffmann: Hier spielt Zeit eine ganz entscheidende Rolle.
Niels Nauhauser: Das ist alles fake.
Oliver Hoffmann: Da sollte man tatsächlich keine Minute verstreichen lassen, weil jede Minute birgt die Gefahr, dass das Geld wie gesagt nachher weg ist.
Dorian Lötzer: Heute – wie so oft im Leben – geht es um das Geld. Egal, wie viel man hat, will man irgendwie mehr. Und – wenn man den Beiträgen in den sozialen Medien glaubt – geht das am einfachsten durch schlaue Investitionen auf dem Aktienmarkt und in Kryptowährungen. Das Ganze sei auch kinderleicht und für alle zugänglich! Jeder, der das nicht macht, würde das eigene Geld quasi verschwenden.
Klar, das war jetzt überspitzt formuliert. Und doch habe ich das Gefühl, dass momentan ein Konsens rumgeht, dass jeder eigentlich so viel Erspartes wie möglich anlegen sollte.
Deswegen habe ich für diese Folge mit Barbara gesprochen, die auch gedacht hat, dass sie ihr Geld gut anlegt, in Wirklichkeit aber von einem Betrüger manipuliert wurde. Ich versuche herauszufinden, wie solche Betrüger:innen vorgehen und wie oft sowas passiert. Und ich merke, wie schnell einem selbst sowas passieren kann.
Mein Name ist Dorian Lötzer. Willkommen bei Genau Genommen.
Unsere Geschichte fängt im März 2020 an. Barbara kriegt einen Anruf von einem Mann, den sie nicht kennt. Er sagt, er heißt Nil Keffri. Kleine Anmerkung zu den Namen: Um später Verwechslungen mit einer anderen Person zu vermeiden, werde ich Neil Keffri für den Rest der Folge einfach Keffri nennen. Barbaras Name ist auch nicht ihr echter – sie wollte für diese Folge anonym bleiben.
Keffri fragt also, ob Barbara schon Erfahrungen mit Kryptowährungen habe. Barbara hat diese tatsächlich schon gemacht. 2 Jahre vorher hatte sie schon mal Geld in Kryptowährungen investiert, mit der Hoffnung, schnell Profit machen zu können. Aber das mit dem schnellen Geld war nichts. Ganz im Gegenteil: Sie hat Geld verloren - 17.000 Euro. Damals hat sie sich vorgenommen, sie würde nicht wieder in Kryptowährungen investieren.
Und das sagt sie auch Keffri.
Barbara: Und jetzt sag ich nein, ich will nicht. Ich habe schon einmal meine Finger verbrannt ich möchte nicht nochmal investieren. Und immer wieder hat er mich angerufen und irgendwann mal hat er einen schwachen Moment in mir dann erwischt, so dass ich gesagt habe „ok, dann stimme ich dem zu.“
Dorian Lötzer: Und dieses Verhalten ist gar nicht so ungewöhnlich.
Niels Nauhauser: Bei Betrügern ist schon die Aufdringlichkeit Merkmal. Also wenn jemand wirklich immer wieder anruft und dann immer wieder versucht zu überreden und nochmal zu überreden. Ich meine, das hat man zwar manchmal auch bei so einem Versicherungsvertreter, aber bei den Krypto- oder bei den Betrügern generell, nicht nur Krypto-Betrüger, auch bei anderen ist das schon ein großes Merkmal.
Dorian Lötzer: Hören könnt ihr hier Niels Nauhauser, Leiter der Abteilung Altersvorsorge, Banken, Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Er hat immer wieder Fälle bei sich in der Beratung von Personen, die an Betrüger:innen, die hohe Gewinne versprechen, Geld verloren haben.
Niels Nauhauser: und natürlich auch der Einstieg, dass man einen unerbetenen Anruf kriegt. Oder auch die ganz hohen Gewinnversprechen in sozialen Medien, wo es dann heißt man kann hundert Prozent Gewinn machen, innerhalb von wenigen Tagen. Das ist auch ein ganz, ganz sicheres Betrugssignal. Hohe Gewinne, kein Risiko und Aufdringlichkeit in der Kontaktaufnahme.
So ist es auch bei Barbara. Keffri verspricht nämlich, dass er ihr diese 17.000 Euro zurückholen kann. Sie müsse nur weitere 17.000 Euro anlegen. Nach vielen Anrufen gibt sie nach und stimmt zu. Die beiden verabreden sich. Die Anlage sei technisch kompliziert, weswegen er ihr dabei helfen will.
Barbara: Das ist immer so folgendermaßen gelaufen: er hat erstmal mir eine App auf den Rechner gespielt. Die nennt sich AnyDesk und über dieses Tool hat er sich dann eingewählt und ich musste ihn akzeptieren und dann hatte er Zugriff bei mir aufm Rechner. Gut, ich saß davor, ich habe gesehen was er dann gemacht hat. Und dann hat er ein Tool draufgespielt – MetaTrader.
Dorian Lötzer: Mit diesem Programm kann Keffri aus der Ferne den Computer von Barbara kontrollieren. Er installiert weitere Programme. Sie sieht dabei zu. Barbara muss nur eine Überweisung an ein Intermedienkonto tätigen – schon wird ihr angezeigt, wieviel Geld sie investiert. Sie kann also zusehen, wie sich ihre Investition entwickelt. Es werden Aktien gekauft und verkauft – alles gemanagt von Keffri. Und er scheint seine Arbeit echt gut zu tun. Ihr Portfolio wächst.
Nauhauser: weil die Anbieter natürlich auch schlau vorgehen und da erstmal einen Gewinn suggerieren. Man kann sich daneben einloggen in so einem Konto sieht dann „ok aus meinen 250€ ist jetzt 500 geworden.“ Dann heißt es: „Wollen Sie nicht noch mehr einzahlen?“ Ja, dann zahlt man mehr ein, dann wird das noch mehr und noch mehr. Aber dieses Geld existiert gar nicht. Dieses Konto, wo man sich einloggt, existiert auch nicht, das ist alles fake. Und so quasi werden die Leute dazu verlockt, immer mehr dort einzuzahlen.
Barbara: Das war ja dann auch schön zu sehen. Da konnte ich jederzeit reingehen in dieses Tool und da habe ich dann gesehen wenn der dann so Aktien gekauft und verkauft hat. Und die 17.000 die gingen dann schwupp, ging das dann hoch auf über 50.000. Und das ist natürlich schön sowas zu sehen und dann denkst du „naja, klasse!“ und dann wirst du etwas euphorisch. Ja und das sag ich ja ok so jetzt mach ich mal meine Auszahlung na jetzt hatten wir mal 2000 Euro ausbezahlt.
Dorian Lötzer: Die Auszahlung hat Barbara auch bekommen. Damit hat Keffri gezeigt: „Das Geld existiert und wenn du es zurückwillst, kriegst du es auch.“ Währenddessen wächst Barbaras Portfolio weiter an.
Und dann ging das so im Lauf der Wochen und Monate dann schwuppdiwupp hoch auf über 100.000.
Dorian Lötzer: Barbara und Keffri telefonieren regelmäßig. Schnell sind sie per Du. Er investiert viel Zeit in die Beziehung. Sie freut sich, dass ihr Anlage so gut läuft. Sie lernen sich besser kennen.
Barbara: Zu vereinbarten Telefontermin hat er sich dann gemeldet- Und es kommt ja auch dieser psychologische Teil rein, ja? Und hat dann auch ist dann relativ schnell ins per du gegangen und dann hat er erzählt, woher kommt er denn her und da sagt er ja, also seine seine Mutter kommt aus Schweden, sein Vater ist Keffri aus dem türkischen Bereich.
Dorian Lötzer: Die beiden bauen ein persönliches Verhältnis zueinander auf. Und dann passiert etwas in Barbaras Leben. Sie findet einen Käufer für ihr Elternhaus, das sie geerbt hat. Damit muss sie sich auch um das überbleibende Eigentum kümmern, findet Käufer:innen, mit denen sie verhandeln muss. Während einer Besichtigung wird ihr Portemonnaie geklaut. Sie muss sich also auch darum kümmern.
Sie beschreibt sich zu der Zeit als überfordert und komplett hilflos. Es sei eine psychologische Extremsituation gewesen.
Barbara: Ja, ich war damit nervlich fix und fertig und deswegen hat dieser Neil Keffri vielleicht auch in dieser Zeit es besonders leicht mit mir, weil er dann eben - ich sage die sind alle unglaublich psychologisch geschult - dann auch übergriffig. Wenn der anrief, dann morgens so nach dem Motto „Guten Morgen Süße wie gehts dir heute?“ So sind die Gespräche abgelaufen.
Dorian Lötzer: Und haben Sie das damals auch schon als übergriffig empfunden?
Barbara: Nein, überhaupt nicht. Aber ich meine – jetzt muss ich dazu gestehen – ich lebe zurzeit alleine ohne Mann und welche Frau hört es nicht gerne, wenn du morgens so begrüßt wirst, ja?
Dorian Lötzer: Wenn man heute mit Barbara spricht, erkennt sie, dass sein Verhalten manipulativ und übergriffig war. Es sei Zitat „Brainwashing“ gewesen; Sie war nicht mehr Frau ihrer Sinne.
Es scheint aber so, als wäre sie damals froh gewesen, jemand zu haben, mit dem sie sprechen konnte. Keffri entwickelt sich zur Vertrauensperson für sie. Warum das so wichtig ist, hat mir Niels Nauhauser erklärt:
Niels Nauhauser: Also ja also das Thema Vertrauen ist das A und O bei allen Geldanlagen und Altersvorsorgeprodukten. Das funktioniert auch mit dem Sparkassenberater, der nutzt das genauso gut aus wie der vertrauenswürdige Banker, der Versicherungsvertreter - alle letztendlich arbeiten natürlich mit diesem Vertrauen, weil Verbraucher und Verbraucherinnen ja die das Produkt gar nicht prüfen können. Also man schaltet erst dann einen Berater ein, weil man ihn braucht, wenn man einfach nicht mehr weiterweiß, „ist ein gutes Produkt ist das nicht, ist das riskant oder nicht?“ Ja, und was hilft dann am Ende? Natürlich Vertrauen.
Und von daher ist natürlich diese Masche, Vertrauen zu erzeugen Gang und Gebe bei allen diesen Finanzdienstleistungen. Und ich kann da nur zu kritischer Distanz raten, weil natürlich so ja vertrauen ist immer Mittel zum Zweck. Also es geht immer entweder um Verkauf. Bei den seriösen Anbietern geht es „nur“ um verkauft gegen Provisionen. Bei den Betrügern geht es natürlich darum, auf der Vertrauensbasis möglichst dazu zu bewegen, dass die Leute viel Geld einzahlen, das man hinterher einfach kassieren kann.
Dorian Lötzer: Dieses persönliche Verhältnis, dieses Vertrauen, wurde auch hier gegen Barbara so eingesetzt, um die Zweifel, die sie vielleicht hatte, zu übermalen.
Eigentlich sollte das Geld aus dem Verkauf des Elternhauses, zusammen mit zwei Lebensversicherungen, ihre Altersabsicherung sein. Groß in das Rentensystem einbezahlt hatte sie vorher nicht. Bis sie es bräuchte wollte Barbara es auf verschiedene Töpfe und Verwalter verteilt anlegen. Als Keffri von dem Geld erfährt, ermutigt er sie aber, jetzt größer einzusteigen. Jeder weiß ja: Je größer die Investition, desto größer der Gewinn.
Barbara stimmt zu und fängt an, weitere Überweisungen zu tätigen. Trotz Warnung ihrer Bank.
Barbara: Dann kam das eben da zu diesen ganzen Einzahlungen aufs Konto (Beziehungsweise auf die verschiedene Intermedienkonnten) und ja klar, meine Bank hat mich dann doch da zwischenzeitlich dann auch angerufen und gewarnt. Und da habe ich gesagt „Nee, nee, Sie, alles gut, ich bin im sicheren Bereich.“
Ja, und so kamen halt die 700.000 Euro zustande, die ich dann ihm überwiesen hatte. Und dann… Ja, und dann hat sich das ruckizucki so hoch katapultiert auf 2,2 Millionen
Viele von euch werden jetzt vielleicht sagen: „Wie kann man 700 Tausend Euro jemand wildfremdes überweisen?“ Und ich gebe zu, es ist schwierig, die Situation nachzuvollziehen. Umso wichtiger ist, dass wir sie ernst nehmen.
Bevor wir also mit Barbaras Geschichte weitermachen, will ich kurz darauf eingehen, wie schnell so ein Betrug passieren kann.
Mir geht die Geschichte deshalb so nahe, weil mir 2018 fast was Ähnliches passiert wäre. Als ich nach dem Studium und mehrerer Praktika in meinem Vollzeitjob zum ersten Mal gutes Geld verdient habe, habe ich nämlich einen Anruf von einer angeblichen japanischen Investitionsfirma gekriegt.
Damals habe ich mir auch gedacht: Komm, auf deinem Konto wird aus dem Geld ja nichts. Ich habe auch Bekannte, die etwas von ihrem Ersparten investieren. Das will ich auch.
Nach mehreren Telefonaten habe ich also einer Investition zugestimmt und Dokumente zum unterschreiben bekommen. Erst da – und das war nach einigen Wochen – habe ich kalte Füße gekriegt und noch mal genauer im Internet recherchiert. Die Seite der Investitionsfirma sah super professionell aus. Erst nach wirklich intensiver, stundenlanger Suche finde ich einen Erfahrungsbericht mit einer langen Liste von unseriösen Anbietern, wo auch der Name dieser Firma steht. Ich breche jeden Kontakt ab, obwohl sie weiterhin regelmäßig bei mir anrufen und auch wütend werden.
Bei mir ist also noch alles gut gegangen, es wäre aber fast anders gekommen.
Deswegen bin ich vorsichtig, bevor ich andere verurteile. Eben weil ich mit dem Internet groß geworden bin und dachte, ich würde auf solche Tricks nicht reinfallen. Denn die ehrliche Realität ist: In der Praxis fällt man schneller auf Betrug rein, als man denkt.
Und dass das bei mir jetzt kein Einzelfall war, bestätigen auch die Zahlen. Fälle wie der von Barbara tauchen seit Jahren auch in Niels Nauhausers Beratungen auf.
Niels Nauhauser: Also ich nach meiner Einschätzung ist das Betrugsrisiko sehr groß bei Kryptowährungen. Wir haben natürlich seit vielen, vielen Jahren – ich meine, ich mache diesen Job jetzt auch seit 2004 – und wir haben immer wieder so Wellen von betrügerischen Anlagen und so einige durch die Medien schon bekannt gewordene Betrüge (hier Schiffscontainer und so weiter) hatten wir viel weniger Anfragen, als aktuell zum Thema Kryptowährungen. Und wenn wir wirklich jede Woche mehrere Fälle haben, dann ist das ein klares Anzeichen dafür, dass hier Gauner unterwegs sind, die möglicherweise auch immer wieder mit neuem, quasi ja Aussehe, mit neuen Shops Leute abzocken. Aber ich kann natürlich nicht sagen sind das jetzt nachher 5 Milliarden die da verbrannt werden oder sind es 500 Millionen das weiß ich nicht. Aber in vielen Einzelfällen geht es für die Verbraucher:innen halt um wirklich viel Geld also da geht es teilweise auch mehrere zehntausend Euro.
Dorian Lötzer: Nichtsdestotrotz wollte ich wissen, wie groß dieses Ausmaß wirklich ist. Und habe deswegen auch Oliver Hoffmann – stellvertretender Abteilungsleiter in der Abteilung Wirtschaftskriminalität des Landeskriminalamts Baden-Württemberg – gefragt.
Oliver Hoffmann: Na also, wenn es jetzt um den sogenannten Krypto-Betrug geht, dann reden wir davon, dass es sich hierbei um sogenannte Anlagebetrugsdelikte handelt. Also die werden bei uns so in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Und da haben wir tatsächlich für das Jahr 2019 mal eine bundesweite Erhebung gemacht, um einfach so einen Referenzwert festlegen zu können und haben dabei festgestellt, dass in der Bundesweiten PKS etwa 3400 Fälle erfasst wurden und im Jahr 2020 4700 Fälle und die Schadenssumme ist von 230 Millionen auf etwa 340 Millionen Euro gestiegen, also ´19 auf ´20.
Dorian Lötzer: Beide haben mir bestätigt, dass dieses Problem nicht unbedingt neu ist. Und, dass die Zahlen darauf deuten, dass es wächst. Und man kann davon ausgehen, dass es hier auch eine Dunkelziffer gibt, weil viele ihre Fälle gar nicht erst melden.
Damit ist für mich klar, dass das Ganze eine Masche ist. Ich kann bestätigen, dass man sich oft erst im Nachhinein fragt, wie die Betrüger:innen an die eigenen Kontaktdaten gekommen sind. Barbara und ich hatten damals einfach einen Telefonanruf erhalten – man nennt sowas auch „Cold Call“ - auf Deutsch „kalter Anruf“. Solche Cold-Calls spielen auf Masse und existieren schon lange auch in der Vertriebswirtschaft. Man ruft so lange neue Nummern an, bis jemand anbeißt. Heutzutage gibt es aber auch neue Wege, seine Opfer zu finden.
Niels Nauhauser: neben dem Telefon haben wir auch zunehmend die sozialen Medien, die als Kontaktweg fungieren, wo es heißt, „so kann man sein Geld in Sicherheit bringen.“ Und dann wird natürlich auch mit Ängsten geworben, also jetzt gerade auch wieder Krieg. Dann haben wir Währungsverschuldung, Inflation und so weiter, wo dann diese Gauner einfach mit der Angst arbeiten: „Das Geld wird bald wertlos. Du musst jetzt Kryptowährungen kaufen, nur dann ist dein Geld wirklich sicher.“
Dorian Lötzer: Mit dieser Art von Ansprache spielen Betrüger:innen Unwissen und Unsicherheit aus. Im Zweifel hat man schon in den Nachrichten die Geschichten gehört, wie Leute unglaublich reich geworden sind. Man weiß aber nicht, wie genau diese Technologie funktioniert oder wie man anlegt. Gleichzeitig heißt es, dass man nur noch so gut sparen kann. Da kommt es doch einem total Gelegen, wenn jemand sich anbietet, die Arbeit abzunehmen.
Und wenn sie erstmal Kontakt aufgebaut haben, lassen sie auch nicht so schnell locker. Ihre Argumente? Extrem einseitig.
Oliver Hoffmann: Und dann sind Sie sagen mal am Haken der Betrüger dran (an der Angel) und die werden Sie dann kontaktieren, werden sie informieren über die hohen Gewinne, die dort passieren werden, aber sie in der Regel nicht informieren, natürlich über den hohen Verlust, den sie machen können. Und bei denen ist es dann meistens der Totalverlust.
Und letzten Endes geht es dann (und das ist auch so eine Standardmasche) um einen Einstiegsbetrag, den man bezahlen muss. Man wird dann aufgefordert, für die Kontoeröffnung 200 Euro zu bezahlen zum Beispiel, um dann im nächsten Schritt dann zusammen mit einem speziell für einen ausgewählten Broker (das ist auch so eine Standardgeschichte) dann Gelder anzulegen in scheinbare Aktien scheinbare Kryptowährungen. Aber die legen das faktisch dort gar nicht an.
Dorian Lötzer: Um das wieder auf Barbara zu lenken: Diese Erkenntnisse bestätigen mir, dass sie alles andere als ein Einzelfall ist.
Nach ihrer Investition von 700 Tausend Euro passiert auch das, was vorher passiert ist: Das Geld wächst. Zur Erinnerung: Ihr Programm sagt ihr, dass sie jetzt 2,2 Millionen Euro besitzt.
Doch dann macht Keffri etwas Ungewöhnliches. Im März 2021 – ein Jahr nachdem er zum ersten Mal Kontakt mit Barbara aufgenommen hat – verschwindet er unangekündigt.
Barbara: Ja, auf jeden Fall, im März kam das dann just vor einem Jahr dann an dem Weltfrauentag am 9. März nachmittags um 16:00 Uhr hatten wir einen Termin vereinbart. Und dann hat er sich an diesem Tag nicht gemeldet und hat sich 10 Tage danach nicht gemeldet. Und dann habe ich kalte Füße gekriegt und dann habe ich an dem Tag, wo er sich zur vereinbarten Zeit nicht gemeldet hat um die Auszahlung zu machen, habe ich dann im Internet recherchiert und hab dann die Anzeige von meinem Rechtsanwalt in München gefunden. So nach dem Motto „Haben sie auch Probleme, ihr Geld von IMC-Trades wieder ausbezahlt zu bekommen? Ich helfe; wir helfen Ihnen weiter.“
Dorian Lötzer: Barbara kriegt direkt am nächsten Tag einen Termin beim Rechtsanwalt und fährt nach München. Dort erstattet sie Anzeige.
Und damit hat sie genau das richtige getan. Hier nochmal Oliver Hoffmann.
Oliver Hoffmann: Wenn das Kind dann in den Brunnen gefallen ist, sag ich mal, man stellt also fest „da ist was richtig faul, die geben mir mein Geld nicht zurück.“ Das ist meistens der Moment, wo dann der Geschädigte aufmerksam wird und sagt „Oh, hoppla. Irgendwas läuft da nicht mehr rund.“ Dann raten wir tatsächlich schnell zur Polizei zu gehen. Wie gesagt, für uns ist es wichtig, den Kontakt vielleicht zum Täter noch aufrechtzuerhalten, damit wir dann mit unseren Ermittlungsmaßnahmen auch sehr schnell auf die Infrastruktur der Täter vielleicht kommen können. Also sprich mal recherchieren können, wo kommen die her? Wo halten, die sich auf? Und so weiter. Und das funktioniert natürlich nur dann, wenn der Kontakt faktisch noch besteht.
Dorian Lötzer: Wenn man also merkt, dass diese Vertrauensperson vielleicht doch nicht diejenige ist, die man vermutet, ist der bessere Schritt, direkt zur Polizei zu gehen und nicht zu versuchen, intern den Konflikt zu lösen. Und so macht Barbara es auch.
Nach 10 Tagen taucht Keffri wieder auf. Er behauptet, es hätte einen Corona-Fall gegeben und er musste das Büro schließen. Dass Barbara Anzeige erstattet hat, weiß er nicht. Jetzt sei er aber bereit, eine vorher vereinbarte Auszahlung zu tätigen. Statt den vereinbarten 700.000, will er aber nur 130.000 auszahlen.
Die beiden verabreden sich also und Keffri logt sich aus der Ferne in Barbaras Computer ein. Dort veranlasst er eine Auszahlung für 130.000 Euro und geht in Barbaras E-Mails, um zu überprüfen, ob die Bestätigungs-Nachricht ankommt.
Und hierbei passiert etwas, was fatale Konsequenzen mit sich ziehen wird.
Barbara: Und dann war das ja so, dass er dann (ich sag ja übergriffig), weil ich ihn ja da über AnyDesk wieder ja akzeptieren musste. Und da ist er bei mir in die in den Emaileingang gegangen, um zu sehen, ob die Auszahlung stattgefunden hat. Die Bestätigung von Kraken war da. Und dann? Ich konnte nicht so schnell ihn wieder rausschmeißen, wie er runtergescrollt hat, bei mir im E-Mail Eingang. Und dann ist er auf die Strafanzeige von meinem Rechtsanwalt gekommen. Und hat er ins Telefon reingeschriehen „Was ist das?“ Und da sag ich, „das geht dich gar nix an.“ Und er hat die E-Mail schneller aufgemacht wie ich ihn über AnyDesk wieder rausschmeißen konnte. Und dann hat er sich verabschiedet und das war es.
Dorian Lötzer: Und dann hat er sich nie wieder gemeldet?
Barbara: Nie mehr wieder gemeldet.
Dann habe ich ähm nach dem Schock 2 Stunden später eine E-Mail geschrieben und ich habe dann zu ihm gesagt „ok, ich biete dir an, wenn du mir bis Montag um 16:00 Uhr Die 700 Tausend Euro, die ich eingezahlt hatte wieder überweist, ziehe ich meine Strafanzeige zurück.“
Dorian Lötzer: Barbara bekommt zunächst keine Antwort. Als sie am Montag anruft, geht ein vermeintlicher Kollege von Keffri dran. Keffri sei gerade in einem anderen Termin und nicht ansprechbar. Er würde sich nochmal melden.
Und das war der letzte Kontakt, den Barbara mit Keffri oder seiner Firma je hatte.
Für die Steuererklärung im Vorjahr hatte Barbara noch eine Übersicht, auf welchen Konten wieviel von ihrem Geld lag. Dieses galt es jetzt zu finden.
Barbara: Und bei deinen ganzen Firmen habe ich dann; bei den ganzen Konten hab ich dann angerufen, beziehungsweise eine E-Mail geschrieben, wo ich sage „so ich möchte jetzt eine Auszahlung haben von meinem Kontostand“ und ich bin ja dann auch reingegangen. Alle Konten waren leer. Null.
Dorian Lötzer: Gehen Sie davon aus, dass das echte Konten waren, wo dieses Geld wirklich lag oder war das alles simuliert?
Barbara: Ich gehe davon aus, dass das alles fingiert war. Weil, ich meine, ich habe zuvor noch nie mit solchen Firmen wie Cracken, BitPanda und so weiter zusammengearbeitet, ja? Ich hatte da überhaupt gar keine Erfahrung. Ich habe sonst immer nur die normalen Banküberweisungen gemacht, ja?
Dorian Lötzer: Aus den 700.000 investierten Euro wurden also nicht 2,2 Millionen, wie ihr Programm angezeigt hat. Es wurden 0 Euro. Barbaras einzige Hoffnung war, dass über die Strafanzeige die Täter gefasst werden könnten. Der Anwalt schien auch recht zuversichtlich, weil er Anzeigen zwei weiterer Betroffener hatte, die an die gleiche Firma ihr Geld verloren hatten.
Barbara: Genau ja und dann waren nach der Strafanzeige. Ja, dann ist 8 Monate lang nix passiert. Und letztes Jahr an meinem Geburtstag - habe ein schönes Geburtstagsgeschenk bekommen – vom Rechtsanwalt, der dann schrieb, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart meinen Fall niedergelegt hat.
Dorian Lötzer: Barbara möchte nicht aufgeben – legt Berufung ein. Ihr Anwalt meint, die Staatsanwaltschaft hätte gute Arbeit geleistet. Die Täter hätten falsche Namen benutzt und säßen eigentlich im Ausland. Eine Nachverfolgung da wäre nicht möglich.
Nach einer weiteren monatelangen Wartezeit bekommt Barbara im März 2022 die Nachricht: Der ursprüngliche Entscheid der Staatsanwaltschaft war richtig. Ihr Verfahren wird eingestellt.
Ich habe Oliver Hoffmann vom LKA gefragt, warum es denn so viel schwieriger sei, solche Fälle zu lösen, nachdem der Kontakt bereits abgebrochen ist.
Oliver Hoffmann: Also für uns ist natürlich insbesondere dann, wenn der Kontakt zu diesen Trading-Plattformen abgebrochen ist, wird es für uns in der Regel schwer, weil dann die Tatverdächtigen sich sehr schnell aus dem Staub machen. In der Hinsicht, dass sie die Gelder dann auf verschiedenste konnten auf der Welt transferieren und sich dann irgendwann natürlich auch den polizeilichen Zugriff dann entziehen.
Das heißt, wir kommen einfach nicht mehr an das Geld ran. Das ist ja das wichtigste Mal zunächst für die Geschädigten und im Weiteren ist es auch so, dass die Tatverdächtigen das sehr geschickt schaffen, ihre Identitäten zu verschleiern. Das tun Sie, indem sie halt überall auf der Welt sage ich mal mit – die sitzen überall auf der Welt, haben Software, mit denen sie ihre Identität verschleiern können, die melden sich mit falschen Personalien bei den bei den Betreibern dieser Domains, also diese Internet-Adressen an und die haben ihre Wallets mit falschen Adressen angemeldet und so weiter und so weiter. Und so wird es natürlich für die Ermittlungsbehörden sehr schwierig, da jeweils an die Täter und das Geld dann heranzukommen. Das heißt, unser Appell ist natürlich, wenn sie merken, dass sie Opfer einer solchen Straftat geworden sind. Nehmen sie unmittelbar Kontakt mit der Polizei auf, ja? Hier spielt Zeit eine ganz entscheidende Rolle und das sollte man tatsächlich keine Minute verstreichen lassen, weil jede Minute birgt die Gefahr, dass das Geld wie gesagt nachher weg ist, beziehungsweise auch die Täter für uns nachher nicht mehr ermittelt werden können.
Und so kommen wir in der Gegenwart an. Wenn man mit Barbara spricht, hört man, dass sie die Hoffnung nicht aufgegeben hat – nicht aufgeben kann. Sie versucht, mit aller Kraft, ihr verlorenes Geld zurückzubekommen. Versucht es jetzt, mit einem anderen Anwalt, der versucht der Spur des Gelds, statt der der Personen zu folgen. Ob sie damit mehr Erfolg haben wird, können wir nicht sagen.
Fest steht: Ihr Geld ist erstmal weg. Keffri und seine Firma auch.
Bis heute kriegt Barbara E-Mails und Anrufe von Betrüger:innen, die ihr Geld haben wollen. Ihre Daten sind mit aller Wahrscheinlichkeit auf Datenbanken online geteilt wurden. Sie musste sogar ihre Nummer ändern lassen. Das zeigt, wie organisiert diese Betrugsmaschen sind.
Zum Schluss, ein kleines Fazit:
Anlagebetrug, sei dies im Kontext von Kryptowährung oder nicht, ist ein verbreitetes und potenziell wachsendes Problem. Dabei denken viele – meiner Meinung nach zu viele – dass ihnen sowas nicht passieren könnte. Der Erfolg dieser Betrüger:innen beruht unter anderem auf einer komplizierten Verkettung psychologischer Faktoren – der Druck, der aus der Gesellschaft kommt. Der Wunsch, schnell reich zu werden. Die Angst vor äußeren Faktoren. Und nicht zuletzt auch die emotionale Manipulation und die Suche nach Vertrauensmenschen.
Die Zusammenstellung solcher Faktoren ist mutmaßlich in jedem Fall unterschiedlich, festhalten können wir dennoch: Sie sind unglaublich effektiv.
Wenn wir uns also schützen wollen, müssen wir bewusster in unseren Entscheidungen werden. Das heißt, mit deutlich mehr Skepsis an Inhalte im Netz zu gehen – insbesondere, wenn es ums Geld geht. Schauen, wo die Konten liegen, auf die die Überweisungen getätigt werden sollten. Das Impressum und die AGB prüfen.
Niels Nauhauser meint auch, man solle generell keine Geldgeschäfte mit jemanden eingehen, den man nicht persönlich getroffen hat. Und Oliver Hoffman rät dazu, nüchtern zu bleiben und sich nicht von hohen Gewinnen locken zu lassen. Wenn etwas zu gut scheint, um war zu sein, ist es das vielleicht auch. Tatsächlich lohnt es sich, kurz mit einer Verbraucherzentrale Kontakt aufzunehmen, wenn man überlegt, ein Geldgeschäft einzugehen. Die können Einschätzungen liefern, ob der Anbieter auch seriös ist und die Anlage Sinn macht.
Und wenn, wie die beiden sagen, „das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“, sollte man so schnell wie möglich die Polizei kontaktieren und nicht versuchen, selbst das Problem zu lösen. Sonst ist vielleicht das Geld verloren – wie bei Barbara.
Wenn euch die Folge gefallen hat, würde ich mich freuen, wenn ihr den Podcast in eurem Lieblingsplayer abonniert und weiterempfehlt. Mehr Informationen zu allen möglichen Geldanlagen gibt es auf Verbraucherzentrale.de. Kontaktieren kann man uns über podcast@vz-bln.de.
Mein Name ist Dorian Lötzer und heute haben wir Anlagenbetrug genau genommen.