Intro:
Je digitaler unsere Welt wird, desto weniger stellen wir Aspekte wie Privatsphäre und Datenschutz im Internet in Frage. Immerhin ist das Smartphone für viele von uns der treueste Begleiter im Alltag. Über 90% aller unter 69-jährigen Menschen in Deutschland besitzen ein Smartphone und selbst in der reiferen Zielgruppe 70+ ist das mobile Surfen mittlerweile bei der Mehrheit angekommen. Wir teilen Fotos mit Verwandten, debattieren im virtuellen Freundeskreis und mit Wildfremden das aktuelle Nachrichtengeschehen und lassen uns mit Emojis und Gifs zum Geburtstag gratulieren. Kaum zu glauben, dass wir in den Anfangstagen von Facebook, Whatsapp & Co noch allerorten hitzige Diskussionen darüber führten, welche persönlichen Informationen und Vorlieben man in sozialen Netzwerken und Chatgruppen teilen dürfe und was man besser lassen sollte. Oder stellen Sie sich noch regelmäßig solche Fragen? Falls ja, ist das sicher nicht verkehrt. Denn am Ende des Tages stehen hinter den meisten Apps, die unseren digitalen Alltag bestimmen, große Konzerne, die mit den von uns preisgegebenen Daten ein Geschäft machen. Was natürlich nicht bedeutet, dass Sie oder ich jetzt in Panik ausbrechen müssen, wenn wir heute über Shopping und Supermarkt Apps zum Einkaufen, Sparen und Punktesammeln sprechen. Die stellen nämlich keine Bedrohung dar, sondern können ganz im Gegenteil durchaus nützlich sein. Aber unser Interesse am Datenschutz endet oft dort, wo die Möglichkeit zum Geldsparen anfängt. Und geht man allzu gedankenlos mit Shopping Apps um, gerade hinsichtlich der Preisgabe persönlicher Informationen und Nutzung jedes vermeintlich vielversprechenden Treueangebots und Gewinnspiel, zahlen man früher oder später drauf. Denn wer wirklich dauerhaft sparen möchte, muss über den Rand seines Smartphone-Displays hinausgucken. Auch wenn es manchmal schwerfällt, ich weiß. Meine Kollegin Christine Steffen ist Datenschutzrechtsexpertin und kennt so ziemlich jeden technischen und psychologischen Trick, mit dem uns Shopping Apps an die immer gleichen Anbieter binden und zum Geldausgeben verführen möchten. Und das sollten Sie sich anhören. Sie hören genau genommen – der Podcast der Verbraucherzentralen. Mein Name ist Patrick Lohmeier und nun viel Vergnügen mit unserem Gespräch.
[00:02:27] Patrick Lohmeier: Wir sprechen heute bei genau genommen über Shopping-Apps und Bonusprogramme, und dafür habe ich mir Christine Steffen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen eingeladen. Hallo, Christine.
[00:02:37] Christine Steffen: Hallo, guten Morgen, Patrick.
[00:02:38] Patrick Lohmeier: Christine, sag doch bitte mal ein paar Worte dazu, was du bei der Verbraucherzentrale machst.
[00:02:44] Christine Steffen: Ich bin von Haus aus Juristin und Referentin in der Gruppe Verbraucherrecht und dort zuständig für den Bereich Datenschutz in der digitalen Welt.
[00:02:53] Patrick Lohmeier: Ich habe dir schon im Vorgespräch verraten, dass ich gerne über solche Themen rede, die wirklich leicht greifbar sind. Das heißt, Themen, die mitten in der Gesellschaft sind. Und ich glaube, dazu gehören Shopping-Apps definitiv, weil ich würde mal konservativ behaupten, jeder und jede zweite von uns benutzt die auch. Aber warum tun wir das eigentlich? Was ist eigentlich der große Mehrwert oder was sind die Mehrwerte für uns durch die Benutzung solcher Shopping-Apps und eben auch für die Unternehmen?
[00:03:07] Christine Steffen: Shopping-Apps erscheinen auf den ersten Blick super interessant, weil es zum einen Neugierde weckt, sozusagen Prospekte und Angebote auf digitalem Weg auf dem Smartphone zu haben, das jeder von uns den ganzen Tag herumträgt, um zu jeder Zeit checken zu können, wo gibt es vielleicht etwas zu sparen, welches ist der beste Preis. Es geht um Produkte, die wir alltäglich konsumieren, und die Apps sind mittlerweile so gestrickt, dass es einfach auch Spaß macht, sie zu verwenden, und vor allem der Anreiz, etwas damit sparen zu können, lockt uns einfach sehr, diese Apps dann auch zu nutzen.
[00:03:58] Patrick Lohmeier: Ob man den Anreiz eben auch mit knallharten Fakten, will heißen Ersparnisse untermauern kann, dazu kommen wir gleich. Was haben denn die Unternehmen durch die Bereitstellung solcher Shopping-Apps, denn die sind ja in der Regel auch gratis im App Store verfügbar? Also mir fällt zumindest jetzt kein digitales Bonusprogramm für Smartphones ein oder eine Punktesammel-App oder Shopping-App, wie auch immer, die Geld kostet. Was haben die Unternehmen davon?
[00:04:23] Christine Steffen: Ja, die Unternehmen verdienen trotzdem mit diesen Apps, denn sie werden dadurch in die Lage versetzt, unglaublich viele Informationen, also personenbezogene Daten, über die Nutzer zu sammeln. Nicht nur, wenn es darum geht, welche Produkte angeschaut werden, welche Produkte vielleicht auf eine Einkaufsliste gesetzt werden oder welche digitalen Coupons mit denen man Rabatte erzielen kann, eingelöst werden, sondern auch darüber hinaus. Zu welcher Tageszeit werden die Apps genutzt? Bei welchen Angeboten bleibt man hängen? Wie oft? An welchen Wochentagen wird nach Angeboten geschaut? All das verrät sehr viel über einerseits die Interessen der Nutzer, aber auch über ihre Nutzungsgewohnheiten, über ihre Tagesabläufe. Diese Informationen können Anbieter sehr gut nutzen, um ganz gezielt persönliche Angebote auszuspielen. Für die Anbieter sind solche Shopping-Apps perfekte Kundenbindungsprogramme und ersparen sich damit einerseits teure Marktforschung und können wirklich ganz passgenau Selbstwerbung ausspielen und die dabei gewonnenen Informationen kommerziell nutzen und vor allem dafür sorgen, dass man dabei bleibt, das heißt, man in den Markt kommt, dass man einkauft und im Zweifel vielleicht auch mehr als man ursprünglich kaufen wollte.
[00:05:46] Patrick Lohmeier: Okay, damit sie uns alle diese individualisierten Angebote und Preise zeigen können, müssen sie auch dafür sorgen, dass wir diese Apps regelmäßig benutzen. Und du hast ja bereits ein ganz wichtiges Stichwort genannt: Anreize schaffen. Wie sehen die denn aus? Was sind denn so diese Funktionen oder eben auch Anreize, die diese Apps, die uns bei Laune halten, die uns immer wieder zum Smartphone greifen lassen, um zu gucken, was es denn da Neues gibt?
[00:06:11] Christine Steffen: Ja, zum einen gibt es, ich sag mal, die Standardfunktionen. Das kann sowas sein wie ein Einkaufszettel, also dass ich bestimmte Produkte, die ich kaufen möchte, die ich brauche, auf den Einkaufszettel setze. Aber auch darüber hinaus werden Rabattaktionen angeboten. Ich kann digitale Coupons aktivieren, also für bestimmte Produkte. Ich kann eine Bezahlfunktion nutzen und ich werde immer wieder auch über Push-Nachrichten über Angebote angesprochen. Und so werde ich immer wieder in die App gelockt, auch nachzuschauen, welche Angebote gibt es und wo kann ich sparen.
[00:06:50] Patrick Lohmeier: Ich merke das auch selber. Ich bin auch Kunde eines solchen Bonusprogramms und ich merke, wie sie mich immer wieder einfangen wollen für ihre Zwecke. Also ich habe mittlerweile die Push-Nachrichten deaktiviert, aber dann kriege ich eben E-Mails, und die sagen mir, es gäbe aktuell ein ganz tolles Gewinnspiel. Und ich muss sagen, ich bin dann immer etwas unterwältigt, wenn ich reinklicke, stelle fest, okay, ja, da kannst du ein Strand-Spielset gewinnen oder einen anderen überflüssigen Gewinn. Aber ich habe dann eben doch reingeguckt und bleib an was anderem hängen. Das ist schon... ist schon gemein, also psychologisch auch.
[00:07:20] Christine Steffen: Aber das ist schon ein ganz wichtiger Punkt, den du ansprichst. Man kann die Push-Nachrichten ausstellen, aber wenn man die Einwilligung in die Werbeansprache per Mail erteilt hat, dann können sie eben auch regelmäßig per Mail ansprechen und nutzen da auch gezielt diesen gewissen Gamification-Ansatz. Man wird in diese Gewinnspiele gelockt, und das ist dann auch oft verbunden mit... ja, Methoden, um dann doch noch mal etwas mehr über sich preiszugeben, indem man bei dem Gewinnspiel teilnimmt.
[00:08:05] Patrick Lohmeier: Ok, darauf kommen wir vielleicht auch gleich noch mal zu sprechen. Aber zur E-Mail-Adresse... das hatten wir gerade schon angesprochen. Welche anderen Daten fragen denn die Anbieter über solche Shopping-Apps oder Supermarkt-Apps oder Bonus-Sammel-Apps? Und was machen die mit meinen Daten?
[00:08:06] Christine Steffen: Ja, in vielen Fällen muss man sich für die Nutzung der App oder zumindest, wenn man alle Funktionen nutzen möchte, muss man sich registrieren. Das heißt, man muss ein Kundenkonto anlegen. Üblicherweise wird da der Name abgefragt, Geburtsdatum und auch Wohnort. Darüber hinaus kann man auch optional angeben, für welche Produkte man sich interessiert. Ja, und je mehr man dann in der App auch interagiert, desto mehr erfährt der Anbieter dann eben auch, für welche Produkte man sich interessiert, zu welcher Zeit und so weiter.
[00:08:37] Patrick Lohmeier: Habe ich als Verbraucherin, als Verbraucher irgendeine Möglichkeit herauszufinden, was denn jetzt Unternehmen XY von mir weiß, weil ich dessen App vielleicht auch schon seit Monaten oder Jahren benutze?
[00:08:48] Christine Steffen: Ja, Verbraucher haben hier ein Recht, das ihnen nach der Datenschutz-Grundverordnung zusteht, das sogenannte Auskunftsrecht. Das heißt, sie können beim Anbieter eine Auskunft darüber verlangen, ob und wenn ja, welche personenbezogenen Daten über einen selbst verarbeitet werden. Und das umfasst dann eben nicht nur die Daten selber, sondern etwa auch, auf welche Rechtsgrundlage die Verarbeitung gestützt wird, also warum der Anbieter meint, dass das legitim ist, genau diese Daten für welche Zwecke zu verarbeiten. Und auch an wen diese Daten möglicherweise gehen, denn die Anbieter können mit den gewonnenen Informationen im richtige Kundenprofile erstellen, wir reden doch unter dem Stichwort Tracking, Profilbildung hat das immer wieder auf, und diese Kundenprofile, die können eben sehr, sehr aussagekräftig sein und die können auch an Dritte weitergegeben werden zu Werbezwecken oder sie werden verkauft. Und auch so etwas kann man über das Auskunftsrecht erfragen beim Anbieter.
[00:09:45] Patrick Lohmeier: Das ist ja auch ganz wichtig. Ich wollte noch mal etwas zu sprechen kommen, was du gerade erwähnt hast, nämlich für mich auch ein ganz wichtiges Stichwort, Gamification. Also quasi den Konsum spielerisch zu gestalten oder durch ja fast verspielte Funktionalitäten und Methoden mich dazu verleiten, vielleicht, Geld auszugeben oder an Gewinnspielen teilzunehmen oder mich für Bonusprogramme zu registrieren, obwohl ich eigentlich noch nichts wissen wollte. 30 Sekunden vorher. Kannst du da vielleicht mal ein gängiges Anwendungsspiel dafür, wie Gamification funktioniert?
[00:10:15] Christine Steffen: Ja, die Gamification-Ansätze haben eines gemeinsam: Sie machen mich erst einmal auf etwas aufmerksam, was ich ursprünglich gar nicht auf dem Schirm hatte. Das heißt, für ein Produkt oder die Aussicht auf einen Gewinn, den ich so nicht geplant hatte, an den ich gar nicht denke, aber der unglaublich verlockend klingt. Und deswegen kann ich gar nicht anders, als zum Beispiel an einem Gewinnspiel teilzunehmen. Es ist sehr niederschwellig, also jeder kann mitmachen, aber die Aussicht etwas zu gewinnen, wissen wir, dass sie meistens eher gering ist. Im Gegenzug bekommt der Anbieter aber eben gespiegelt, für was man sich interessiert, mit was man sich locken lässt. Und bei der Gelegenheit kann er dann eben vielleicht auch noch weitere personenbezogene Daten von mir entlocken.
[00:11:03] Patrick Lohmeier: Da werden ja auch völlig unterschiedliche Hebel gedrückt. Manche Angebote in solchen Apps sind ja leicht zu durschauen. So ein Lockangebot wie zum Beispiel heute dreifach Punkte oder heute fünffach. Da kann ich nachvollziehen, warum sie das wollen. Wahrscheinlich wollen sie mich an einem Tag, der normalerweise nicht so populär ist für den großen Konsum, in die jeweilige Filiale locken. Aber dann werden immer wieder auch einzelne Produkte gepusht, wenn es heißt, kauf heute genau diese Butter dieses Herstellers und kassiere dafür 100 Bonuspunkte. Da wird noch mal ein ganz anderer Hebel gedrückt, nämlich dass ich auf ein Produkt aufmerksam gemacht werden soll, für das wahrscheinlich auch der Hersteller an den Anbieter der App gezahlt hat, damit sie es prominent platzieren. Also da gibt es unglaublich viele Variationen, in denen dieses Gamification-Prinzip angewendet wird.
[00:11:52] Christine Steffen: Ja, zudem gibt es gerade bei den Rabattaktionen, die einen gewissen Rabatt erst bei einem bestimmten Mindestumsatz oder einer bestimmten Mindestpunktzahl gewähren, das Bestreben, möglicherweise doch noch etwas zu kaufen, damit man auch eine gewisse Mindestpunktzahl erreicht, um dann in den Genuss zu kommen, eine Option wahrzunehmen oder Punkte einlösen zu können. Und da bin ich dann am Ende als Verbraucher bestrebt, vielleicht doch mehr zu kaufen als ich eigentlich wollte. Und ob ich dann wirklich am Ende auch etwas gespart habe, ist dann die große Frage.
[00:12:31] Patrick Lohmeier: Ja, bisher sind wir, glaube ich, betont neutral bzw. teilweise etwas positiv unterwegs. Jetzt müssen wir aber auch leider mal auf die Kritikpunkte, die berechtigten Kritikpunkte, an solchen Shopping-Apps zu sprechen kommen. Wir gehen erst einmal in Richtung der menschlichen Psychologie. Was haben denn solche Shopping-Apps für Auswirkungen auf unser Kaufverhalten?
[00:12:50] Christine Steffen: Also solche Shopping-Apps können zum einen dazu führen, dass man mehr kauft als man ursprünglich wollte. Und zum anderen ist auch überhaupt nicht gewährleistet, dass der Rabatt, den man nicht angezeigt bekommt, wirklich der günstigste Preis ist. Es könnte ja sein, dass in einem Geschäft eine Straße weiter, dessen App ich zufälligerweise eben nicht auf dem Smartphone habe, das Angebot auch ohne Rabatt grundsätzlich günstiger zu haben ist an diesem Tag. Insofern wird man ein Stück weit eingeschränkt. Das heißt, die wenigsten von uns werden mehrere Shopping-Apps eines Lebensmittelmarktes auf dem Handy haben, sondern werden sich in der Regel für eine entscheiden. Weil es schlichtweg zu aufwändig wäre, dann auch noch die Preise von verschiedenen Apps miteinander zu vergleichen, und das lenkt uns so ein bisschen eben in den Tunnel in diese eine App. Und wir schauen nicht nach rechts und nicht nach links, ob das nun wirklich ein guter Preis ist in diesem Markt, der mir über die App angezeigt wird, oder ob es möglicherweise im Laden um die Ecke noch günstiger zu kaufen wäre.
[00:13:54] Patrick Lohmeier: Also dieser klassische Scheuklappeneffekt, über den wir auch schon mal gesprochen haben, als wir vor einigen Monaten hier im Podcast über dynamische Preise und Angebote redeten. Wenn ein Anbieter sein Sortiment oder das, was er mir zeigt, so gestaltet, dass ich gar nicht mehr nach rechts oder links gucke. Also, ich zahle einfach das, was quasi maßgeschneidert für mich ist, denn das hast du ja bereits gut erklärt, indem du gesagt hast, dass die Anbieter eben diese Daten von uns abfragen. Sie kennen unseren Wohnort, sie kennen unsere Kontaktdaten, sie wissen, wie unser Kaufverhalten ist. Und dadurch sind die Anbieter dann eben irgendwann in der Lage, ihr Angebot für uns, das uns angezeigt wird, so maßgeschneidert zu gestalten, dass wir denken, das ist schon der beste Preis. Ich muss gar nicht mal gucken, wie viel das Produkt XY in dem anderen Supermarkt kostet. Ich gehe einfach mal davon aus, dass das schon der beste Preis ist.
[00:14:36] Christine Steffen: Genau, dann über die Interessen hinaus, also dafür, welche Produkte interessieren mich. Kaufe ich zum Beispiel immer am Wochenende Katzenfutter, Windeln oder ähnliches. Wenn der Anbieter genau weiß, dass in einer bestimmten Regelmäßigkeit gewisse Produkte immer gekauft werden und man keine Ausweichmöglichkeit hat, geht man offensichtlich immer zu diesem einen Anbieter. Ist er auch in der Lage, ein bisschen auszuloten, wie hoch meine persönliche Zahlungsbereitschaft ist und wie weit er gehen kann, zum Beispiel auch individualisierte Preise anzubieten. Das macht er natürlich nicht offensichtlich, sondern im Zweifel auch versteckt. Aber das könnte beispielsweise in der Praxis so aussehen, dass der Grundpreis für bestimmte Waren höher gesetzt wird und man den Rabatt über die App bekommt. Man denkt, man hat ein gutes Angebot gemacht, aber am Ende wusste der Anbieter einfach nur ganz genau, dass ich das Produkt ohnehin kaufen möchte, und hat mir hier einen Rabatt gewährt, der im Ergebnis aber kein Rabatt ist. Oder ich bekomme von vornherein gar keinen Rabattcode angezeigt, weil der Anbieter genau weiß, dass ich am Freitag die Packung Windeln und die Portion Katzenfutter brauche und es ist egal, welchen Preis er nimmt, die paar Cent mehr werden mich nicht davon abbringen, zur Konkurrenz zu gehen.
[00:15:57] Patrick Lohmeier: Soweit zum Blick auf die manipulativen Möglichkeiten, die solche Apps auf unser Kaufverhalten haben. Jetzt mal zum Thema Datenschutz, weil du hattest ja auch zu Beginn darüber gesprochen. Da werden durchaus sensible Daten hinterlegt. Es gibt auch einige Anbieter, die eine Bezahlfunktion anbieten. Also, da liegen nicht nur unsere Privatadresse, unser Name und Wohnort, sondern eben auch noch unsere Bezahldaten, unsere Bankdaten, Kreditkartendaten, PayPal-Schnittstelle, wie auch immer. Wenn ich darauf so blicke, stelle ich mir doch auch die naheliegende Frage: Sind meine Daten dort sicher?
[00:16:32] Christine Steffen: Ja, das ist schwierig zu beantworten, denn was die Sicherheit angeht, da müssen Verbraucher ein Stück weit Vertrauen haben. Zumindest diesbezüglich, ob die Daten beim Anbieter ausreichend verschlüsselt sind. Wir hören immer wieder von Datenlecks, auch bei großen Unternehmen, also gibt es in dieser Hinsicht keinen hundertprozentigen Schutz. Mit einem gewissen Risiko muss man an dieser Stelle leben. Was aber neben der IT-Sicherheit auch super wichtig ist, ist die Frage, ob der Anbieter verantwortungsvoll mit dem Datenschutz umgeht, wenn man die App nutzt. Die Anbieter machen keinen Hehl daraus, dass sie sehr viele personenbezogene Daten erheben und kommerziell nutzen, also für Profilbildung und Werbung, die teilweise auch bei Werbepartnern landen. Hier ist es leider immer noch so, dass, obwohl die Anbieter sich heute mehr Mühe geben, was die Datenverarbeitung und ihren Datenschutzhinweisen angeht, es für die Nutzer solcher Apps ein Stück weit in der Blackbox bleibt, was die Anbieter wirklich genau über einen wissen und wie sie dieses Wissen nutzen.
[00:18:02] Patrick Lohmeier: Gut, also ausreichend informiert und gewarnt, wenn ich mich jetzt dazu entschließe, einem Anbieter solche mobilen Apps, wie DeutschlandCard oder Payback, oder meiner Lieblingssupermarktkette oder Lieblingswarenhandelskette, wie auch immer, meine persönlichen und vielleicht auch bezahlten Daten preiszugeben. Auf was soll ich denn achten bei der Registrierung in einer solchen Shopping-App?
[00:18:24] Christine Steffen: Ja, grundsätzlich sollte man versuchen, soweit es geht, mit seinen Daten zu geizen. Was heißt das konkret? Ich kann verschiedene Einstellungen vornehmen und auch bei der Registrierung darauf achten, nicht mehr anzugeben als unbedingt nötig. Pflichtfelder müssen natürlich ausgefüllt werden, da habe ich keine Wahl. Optionale Angaben, wie zum Beispiel für welche Produkte man sich interessiert, kann ich aber weglassen. Außerdem kann ich in den Einstellungen meines Smartphones eine datensparsamere Konfiguration vornehmen. Ich kann unter anderem das Tracking deaktivieren und auch das GPS-Tracking ausschalten. Das hat zur Folge, dass mir die Märkte in der Umgebung nicht automatisch angezeigt werden, aber ich kann in der App in der Regel manuell nach einem Markt suchen. Das kann zwar gewisse Rückschlüsse auf meinen Wohnort zulassen, aber es ist trotzdem nicht so invasiv wie ein GPS-Tracking.
[00:19:27] Patrick Lohmeier: Okay, kurze Zwischenfrage: Würdest du also empfehlen, wenn ich dieses altbekannte Popup erhalte, das mir auf meinem Smartphone-Display angezeigt wird, wenn ich so eine Shopping-App aufrufe, wo dann steht "Wollen Sie Ihre Standortdaten mit Anbieter XY teilen? Erlauben / Nicht erlauben", dass ich dann im Zweifelsfall eher "Nicht erlauben" oder "Abbrechen" wähle?
[00:19:43] Christine Steffen: Richtig, man kann sich dem Ganzen so ein bisschen mit der Salamitaktik nähern. Man kann zunächst einmal das GPS-Tracking nicht zulassen und dann schauen, wie die App so funktioniert. Wenn man dann feststellt, dass man damit nicht zufrieden ist, kann man sich immer noch überlegen, ob man diesen Schritt wirklich gehen möchte. Aber erst einmal ist es für die Nutzung der App nicht erforderlich, das GPS-Tracking zu aktivieren. Man kann sich die Märkte auch manuell aussuchen. In der Regel werden sie über eine Liste angezeigt oder man kann über eine PLZ-Suche den nächstgelegenen Markt auswählen. Und das muss ja auch nicht der Markt in der Nähe des Wohnortes sein. Das kann auch ein Markt sein, der auf dem Rückweg vom Arbeitsweg liegt. Insofern ist man da datensparsam unterwegs und erlaubt dem Anbieter kein richtiges Standort-Tracking, das über GPS möglich wäre. Wenn man sich aber irgendwann dazu entscheidet, weil man oft in verschiedenen Märkten eines Anbieters einkauft und viel unterwegs ist, dass man vielleicht doch das GPS-Tracking nutzen möchte, dann kann man immer noch die Möglichkeit einstellen, dass es nur bei der Nutzung der App möglich ist. Andernfalls hätte der Anbieter die Möglichkeit, zu jeder Zeit, auch wenn die App gar nicht geöffnet und genutzt wird, den eigenen Standort nachzuverfolgen. Das heißt, er könnte jemanden auch werblich ansprechen, wenn er gar nicht weiß, dass er sich in der Nähe eines Marktes befindet, um dann dort mit bestimmten Angeboten zu locken. Wer sagt, diese Funktion brauche ich auch gar nicht, will ich nicht, der kann das entsprechend einstellen. Wer die Möglichkeit hat, kann auch jederzeit die Push-Benachrichtigung ausschalten und generell die werbliche Ansprache unterbinden. Oder der werblichen Ansprache widersprechen. Also, wer merkt, er hat vielleicht an der ein oder anderen Stelle zu schnell sein Einverständnis gegeben oder bekommt Mails, die er so nicht mehr erhalten möchte, der kann das jederzeit rückgängig machen und dem Ganzen widersprechen.
[00:21:45] Patrick Lohmeier: Wenn ich jetzt bei der Shopping-App die Bezahlfunktion nicht nutze, wäre es dann auch für mich okay, einfach irgendeinen Quatsch-Namen und eine Quatsch-Adresse dort einzugeben?
[00:21:53] Christine Steffen: Eine Methode, um so datensparsam wie möglich unterwegs zu sein, ist auch, sich in Apps unter einem Pseudonym anzumelden. Ob das im Einzelfall möglich ist oder ob die Nutzungsbedingungen der Anbieter dies zulassen, müsste man dort nachlesen. Aber erst einmal kann man es testen, ob es möglich ist. Natürlich ist die Frage, wenn das mit einer Bezahlfunktion verbunden ist, dann wird es möglicherweise schwierig.
[00:22:20] Patrick Lohmeier: Nein, in dem Moment, wo eine Bezahlfunktion angeboten sind, sind wir natürlich raus bei sowas.
[00:22:25] Christine Steffen: Ja, dann wird es schwierig, aber grundsätzlich ist es eine Möglichkeit, Quatsch-Namen einzugeben oder sogar unter einem Pseudonym einen Dienst zu nutzen. Denn solange damit keine wirklichen Kaufverträge eingegangen werden, sehe ich da auch kein großes Risiko, dass man da wirklich etwas falsch macht. Wenn man sich dazu entscheidet, eine App zu nutzen, bei der man sich auch registrieren muss, dann sollte man auf jeden Fall darauf achten, dass man ein sicheres Passwort wählt. Sicher im Sinne von, es sollte ein starkes Passwort sein, das heißt, eins, das nicht so einfach geknackt werden kann. Es gibt jedes Jahr eine Liste der 10 beliebtesten deutschen Passwörter. Das sind dann manchmal einfache Zahlenreihen wie "123456" oder auch "Passwort". Davon raten wir dringend ab. Es sollte entweder ein kurzes Passwort sein, das aber sehr vielfältig ist, also etwa Buchstaben (groß und klein geschrieben), Zahlen und Sonderzeichen verwendet, oder man nutzt ein sehr, sehr langes Wort. Das kann dann z.B. auch ein Satz sein, und der muss dann nicht ganz so komplex sein. Also entweder kurz und komplex oder lang und darf auch etwas einfacher sein.
[00:24:01] Patrick Lohmeier: Sehr guter Hinweis, vielen Dank. Also, ich merke schon, alles in allem, ungleich zu vielen anderen Themen, die wir hier behandeln, kann man nicht einfach sagen "Ja, machen sie das!" oder "Lassen Sie lieber die Finger davon!", sondern: Es hat alles Vor- und Nachteile, dieses ganze Thema Shopping-Apps. Oder was würdest du sagen?
[00:24:15] Christine Steffen: Ja, wie du schon sagst, haben diese Apps durchaus ihre Vorteile, aber eben auch ihre Nachteile. Und man selbst muss am Ende einfach entscheiden, ob der vielleicht eher überschaubare finanzielle Vorteil, den man bei der Nutzung der Apps hat, für sich selbst im Gleichgewicht ist mit dem, was man eben über sich preisgibt.
[00:24:36] Patrick Lohmeier: Und das ist eben eine ganze Menge. Vielen Dank, Christine, für deine Expertise heute zum Thema Shopping-Apps, Supermarkt-Apps und Bonusprogramme. Das war auf jeden Fall sehr hilfreich, und ich versuche das jetzt auch alles in meinem Shopping-Alltag zu berücksichtigen. Ich danke dir.
Outro:
Danke an alle Menschen, die die Produktion dieser Podcastreihe ermöglichen. Und herzlichen Dank für Ihr Interesse und fürs Zuhören. Diese und weitere Folgen von genau genommen können Sie in so gut wie allen Podcatchern und Audio Apps hören. Egal, ob bei Spotify, Apple, Deezer, Google Podcasts, Pocket Casts oder Audible – Sie finden uns so gut wie überall. Und Empfehlen Sie uns weiter, falls Ihnen genau genommen gefällt. Weitere Informationen und Tipps rund um Datenschutz und die Tricks der App-Anbieter finden Sie unter www.verbraucherzentrale.de. In ein paar Tagen gibt es eine neue Podcastfolge rund um Ihre Verbraucherrechte. Bis dahin erreichen Sie mich für Feedback und Themenwünsche per E-Mail an podcast@vz-bln.de. Dies war genau genommen – Der Podcast der Verbraucherzentralen, mein Name ist Patrick Lohmeier und freue mich aufs Wiederhören