- Warum hat der vzbv die Musterfeststellungsklage gegen die Mercedes-Benz Group AG (ehemals Daimler) erhoben?
Zahlreiche Fahrzeuge der Mercedes-Benz Group AG (ehemals Daimler AG) unterliegen behördlichen Rückrufen. Mit dem Einbau solcher Vorrichtungen können Hersteller dafür sorgen, dass die Fahrzeuge während der Typengenehmigung die zulässigen Grenzwerte für Abgase einhalten. Im Straßenverkehr überschreiten sie diese Werte dann aber deutlich. Solche Fahrzeuge dürften damit nicht zugelassen werden. Ihnen droht die Stilllegung, wenn betroffene Käufer kein Software-Update aufspielen lassen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) stellt der Abschluss eines Kaufvertrags einen ersatzfähigen Schaden dar, wenn das Fahrzeug nicht zulassungsfähig ist.
Mercedes-Benz bestreitet, rechtswidrig gehandelt und Verbraucher:innen geschädigt zu haben. Deswegen will der vzbv mit seiner Klage feststellen lassen, dass unzulässige Abschalteinrichtungen in bestimmten Fahrzeugmodellen verbaut wurden und Mercedes-Benz insoweit sittenwidrig und vorsätzlich handelte.
Viele Verbraucher:innen hatten schon im Jahr 2018 Rückrufschreiben erhalten. Damit drohte zum Ablauf des Jahres 2021 die Verjährung der Ansprüche. Der vzbv hat die Klage erhoben, damit Betroffene durch die Anmeldung zur Klage die Verjährung ihrer Ansprüche hemmen konnten.
- Was ist das Ziel der Klage?
Mit der Klage soll festgestellt werden, dass bestimmte Abschalteinrichtungen in ausgewählten Fahrzeugen verbaut sind und dass Mercedes-Benz bei deren Installation sittenwidrig und vorsätzlich handelte. Das ist die Grundlage für mögliche Schadensersatzansprüche von Verbraucher:innen.
- Um welche Fahrzeuge geht es in der Klage?
Die Musterfeststellungsklage umfasst diese Modelle der Mercedes GLC- und GLK- Reihe, die einem amtlichen Rückruf unterliegen.
Euro 6-Modelle:
GLC 220 d 4Matic
GLC 250 d 4Matic
GLK 220 BlueTec 4Matic
GLK 250 BlueTec 4MaticEuro 5-Modelle:
GLK 200 CDI
GLK 220 CDI
GLK 220 CDI 4Matic- Was ist bisher in dem Verfahren passiert?
Der vzbv hat die Klage am 07.07.2021 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingereicht. Es fanden zwei mündliche Verhandlungen am 12.07.2022 und am 21.08.2023 statt. Am 28.03.2024 hat das Oberlandesgericht Stuttgart sein Urteil gesprochen.
- Was hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden?
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat festgestellt, dass Mercedes in den benannten Fahrzeugen unzulässige Abschalteinrichtungen eingesetzt hat.
Hinsichtlich der Euro 6-Modelle ist zudem von einer Schädigungsabsicht zulasten der Verbraucher:innen auszugehen. Mercedes muss für das Handeln seiner Mitarbeiter:innen einstehen. Verbraucher:innen haben außerdem ein Wahlrecht: sie können entweder die Rückabwicklung des Kaufvertrages oder eine die Erstattung eines sogenannten „Differenzschadens“ verlangen.. Dieser Erstattungsanspruch kann 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises betragen, wobei individuelle Umstände ihn mindern können.
Auch bei den Euro 5-Modellen verstoßen die Abschalteinrichtungen gegen europäische Abgasnormen. Das Gericht hat den Vorsatz hier verneint, sodass für diese Kund:innen keine Rückabwicklung des Kaufvertrages möglich wäre. Sollte der BGH (Bundesgerichtshof) dies bestätigen, könnten diese Kund:innen immer noch den Differenzschaden fordern.
- Wie geht das Verfahren weiter?
Mercedes hat bereits angekündigt, gegen das Urteil Revision einzulegen. Das höchste deutsche Zivilgericht wird den Fall also erneut prüfen und entscheiden.
Auch der vzbv wird entscheiden, ob er Rechtsmittel im Hinblick auf die Punkte einlegt, mit denen er beim OLG Stuttgart unterlegen ist.
- Was hat die Musterfeststellungsklage mit jüngeren Verfahren gegen Mercedes-Benz vor dem Europäischen Gerichtshof und dem Bundesgerichtshof zu tun?
In einem Verfahren des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ging es um die Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche beim Abgasskandal. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21.03.2023 insbesondere festgestellt, dass die Unionsregelung über die EG-Typgenehmigung von Fahrzeugen die Interessen eines individuellen Erwerbers schützt, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu erwerben. In Anlehnung hieran hat der Bundesgerichtshof am 26.06.2023 weitere wichtige Weichen gestellt. Das OLG Stuttgart ist den beiden Entscheidungen in seinem Urteil gefolgt.
Teilnahme an der Musterfeststellungsklage
- Kann ich mich der Klage noch anschließen?
Zu dieser Musterfeststellungsklage ist keine weitere Anmeldung mehr möglich. Das Register wurde am 12. Juli 2022 für neue Anmeldungen geschlossen.
- Wie und wo kann ich mich von der Klage wieder abmelden?
Wenn Sie sich der Klage angeschlossen haben, können Sie sich nun nicht mehr abmelden. Die letzte Möglichkeit dazu war am 12.07.2022, dem ersten Tag der mündlichen Verhandlung. Wie dieser verlaufen ist, erfahren Sie in unserer News.
- Worauf muss ich als Teilnehmer:in während des Verfahrens achten?
Wenn Sie im Klageregister eingetragen sind, können Sie Ihren Fall nicht parallel mit einer eigenen Klage verfolgen. Bitte lassen Sie sich hierzu individuell durch eine Rechtsanwaltskanzlei beraten.
- Wie viel Zeit habe ich, um nach einem positiven Urteil selbst zu klagen?
Nachdem das positive Urteil rechtskräftig geworden ist, profitieren diejenigen, die sich in das Klageregister eingetragen haben, noch sechs Monate von der Verjährungshemmung. Der Ablauf der Verjährung hängt vom Einzelfall ab. Sie haben mindestens sechs Monate nach Beendigung des Verfahrens Zeit. Der vzbv informiert über Termine und Fristen rechtzeitig. Bitte tragen Sie sich dafür in unseren News-Alert (Newsletter) ein.
Auswirkungen der Musterfeststellungsklage
- Welche Vorteile bringt mir diese Klage?
Die Musterfeststellungsklage verhindert, dass Ansprüche verjähren. Durch eine Teilnahme an der Klage wird die Verjährung gehemmt. Wer teilnimmt, kann in Ruhe das Urteil abwarten und dann entscheiden, wie es weitergehen soll.
Die Klage soll die Hauptstreitpunkte in Bezug auf Schadensersatzansprüche der Verbraucher:innen klären. Der vzbv trägt dafür allein das Prozesskostenrisiko.
Wenn der vzbv mit seiner Klage erfolgreich ist, werden die Teilnehmenden in einem Anschlussverfahren nicht mehr darüber streiten müssen, ob und welche Abschalteinrichtungen Mercedes-Benz in Ihrem Fahrzeug zielgerichtet eingesetzt hat. Das Urteil ist für alle (deutschen) Gerichte bindend.
Sollte es wie im Verfahren gegen die Volkswagen AG zu einem Vergleich kommen, könnten Sie schon hieraus unmittelbar Ansprüche ableiten und Zahlungen erhalten. Eine eigene Klage müssen Sie in diesem Fall nicht mehr führen. Ob es hierzu kommt, ist noch offen.
- Welche Nachteile sind mit dieser Klage im Vergleich zu anderen Optionen verbunden?
Möglich ist, dass die endgültige Gerichtsentscheidung nicht wunschgemäß in Ihrem Sinne ausfällt. Wie bei allen Klagen. Auch ein negatives Urteil ist bindend. Falls die beantragten Feststellungen vom BGH grundsätzlich abgelehnt werden, ist das auch für die zum Klageregister angemeldeten Verbraucher:innen bindend. Eine individuelle Klage könnte dann nicht mehr auf die in der Musterfeststellungsklage vom Gericht negativ beschiedenen Aspekte gestützt werden.
Auch ein erfolgreiches Urteil spricht den Angemeldeten allerdings noch keinen direkten Zahlungsanspruch zu. Bestimmte Voraussetzungen, wie etwa die Höhe des Schadens, hängen von ihrem individuellen Fall ab. Das kann der vzbv in seiner Klage nicht berücksichtigen. Sollte sich Ihr Fall trotz eines positiven Urteils nicht auf außergerichtlichem Wege beilegen lassen, müssen Sie Ihren Anspruch in einem Einzelverfahren geltend machen.
Diese mögliche Verzögerung des Verfahrens müssen Sie berücksichtigen. Der BGH geht davon aus, dass Sie sich bei Rückabwicklung Ihres Kaufvertrags einen Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen müssen. Das kann dazu führen, dass Sie bei einem „gestuften“ Vorgehen mit der Musterfeststellungsklage einen geringeren Betrag erhalten, als wenn Sie schon jetzt unmittelbar selbst klagen.
Die Teilnahme an der Musterfeststellungsklage ist für diejenigen interessant, die wegen unklarer Erfolgsaussichten und der deswegen bestehenden Risiken keine eigene Klage anstreben. Sie würden später von den umfangreichen Feststellungen profitieren, die im Fall des positiven Ausgangs der Musterfeststellungsklage das Oberlandesgericht Stuttgart oder der Bundesgerichtshof verbindlich in Ihrem Sinne getroffen hat. Bitte beachten Sie, dass seit dem 12.07.2022 keine weitere Anmeldung mehr möglich ist.
Beratung
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bietet keine Rechtsberatung an. Sollten Sie über diese Fragen und Antworten hinausgehende Fragen haben, empfiehlt der vzbv eine anwaltliche Beratung.