Dating-Algorithmen verstärken Vorurteile
Wenn wir die Kontrolle über unser Liebesleben an einen Computer abgeben, hat das nicht nur Auswirkungen auf unser persönliches Schicksal. Wenn viele Menschen digitale Matchmaking-Services nutzen, dann verändert das gesellschaftliche Strukturen. Auch im positiven Sinn. Studien in den USA haben gezeigt, dass wir durch Dating-Apps auch Menschen außerhalb unseres gewohnten sozialen Umfelds treffen. So konnte nach der Einführung von Online-Dating-Services ein Anstieg der Diversität in Ehen festgestellt werden, zum Beispiel zwischen afroamerikanischen und weißen Personen in den USA.
Aber die Dating-Apps können auch gesellschaftliche Ressentiments verstärken. Bekannt ist, dass in Dating Apps asiatische Männer und schwarze Frauen weniger oft Anfragen bekommen. Das senkt ihren Attraktivitäts-Score und führt dazu, dass sie seltener als Match für andere vorgeschlagen werden. Auf diese Weise trägt der Algorithmus dazu bei, dass sich gesellschaftliche Vorurteile weiter festigen.
Das Problem des Mitgemeint-Seins
Nicht nur der Algorithmus selbst ist Teil des Problems. Auch die Kategorien, die ein Dating-Portal oder eine App zur Selbstauskunft oder Partnersuche anbietet, können festgefahrene Sichtweisen weiter verhärten und diskriminierende Effekte haben. Bei Tinder, zum Beispiel, ist eine Suche nach Männern, nach Frauen oder nach beidem möglich. OkCupid bietet im Vergleich 22 Genderoptionen (darunter Frau, Mann, Androgyn, Transgender, Genderqueer, Genderfluid). Daneben erlaubt das Portal 13 sexuelle Orientierungsoptionen und viele verschiedene Beziehungsformen. Wer sich nicht in den Kategorien Frau oder Mann wiederfindet, hat bei Tinder keine andere Möglichkeit, als sich mitgemeint zu fühlen.
Mitgemeint-Sein beschreibt das Phänomen, dass gesellschaftliche Kategorien für uns kein Problem darstellen, so lange wir hineinpassen. Wer weiß ist, hält die Kategorie "Hautfarbe" für unwichtig. Wer heterosexuell ist, für den ist die Kategorie sexuelle Orientierung irrelevant.
Schmerzhaft werden gesellschaftliche Normen dann, wenn wir uns darin nicht wiedererkennen und uns mitgemeint fühlen müssen. Indem einige Anbieter ihre Such- und Selbstauskunftskriterien so gestalten, dass sie der Norm entsprechen, schließen sie nicht nur viele Menschen aus. Sie festigen und normalisieren das, was wir an politischen und ökonomischen Werten sowieso schon haben.
Um über Ähnlichkeiten Matches zu finden, müssen Sie vorher in Ihrer Persönlichkeitsbeschreibung in vorgefertigten Kategorien angeben, etwa, was Sie gerne in Ihrer Freizeit machen. Ihre individuellen Angaben werden dann in mehr oder minder treffende, genormte Rubriken eingruppiert. Das Problem des Mitgemeint-Seins erstreckt sich daher nicht nur auf gesellschaftliche Ebenen, sondern wohnt jedem Merkmal inne, das die Dating App oder das Online-Dating-Portal als relevant für das Matching einstuft.
Auch Datenschutz ist ein Thema
Sicher ist: Dating-Portale und Dating-Apps können Sie mit Menschen in Kontakt bringen, die Sie ohne den digitalen Matchmaker sehr wahrscheinlich nicht getroffen hätten. Abgesehen von ethischen oder moralischen Fragestellungen haben viele Dating-Apps aber noch ein weiteres Problem: den Datenschutz. Manche Apps geben Ihre Infos unverschlüsselt an ihre Server weiter, sodass andere rein theoretisch problemlos mitlesen könnten. Wenn Sie Ihr Dating-Profil mit einem Social-Media-Account verknüpfen, erlauben Sie, dass beide Unternehmen ihren Datensatz über Sie um weitreichende und sehr persönliche Informationen erweitern. Eine britische Journalistin machte von ihrem Recht auf Selbstauskunft Gebrauch. Und bekam 800 Seiten mit Informationen über ihr Liebes- und Sexleben von Tinder ausgehändigt.
Auch Standortdaten können unerwünschte Effekte haben. Zwar erlauben sie auf der einen Seite, dass eine App Sie mit Menschen verbindet, die in Ihrer Nähe sind. Andererseits kann es auch passieren, dass auf diese Weise Menschen mit Ihnen Kontakt aufnehmen, auf deren Annäherungsversuche Sie lieber verzichtet hätten. Plus: Wenn die App weiß, wo Sie sich befinden, dann WEISS die App tatsächlich wo Sie sich aufhalten. Heißt: Sie kann ohne Probleme Bewegungsprofile aufzeichnen.
Das raten die Verbraucherzentralen
Wenn Sie Dating-Apps für sich nutzen möchten, dann suchen Sie sich einen Anbieter aus, bei dem Sie sich gemeint und nicht mitgemeint fühlen. Achten Sie auf Datenschutzaspekte und setzen Sie Ihre Zustimmungen mit Bedacht. Bevor Sie einen Vertrag abschließen, beschäftigen Sie sich mit den Konditionen und Kündigungsbedingungen.
Die Verbraucherzentralen bieten Ihnen einige Tipps für die Online-Partnersuche.