Der Strom, den Sie als Kund:in später "aus der Cloud" wieder in Ihrem Haushalt beziehen, ist ein genau zu diesem Verbrauchszeitpunkt neu produzierter Strom aus einer anderen Solaranlage, einer Windkraftanlage oder irgendeinem anderen Kraftwerk. Es handelt sich also nicht um eine Speicherung von Strom in der Cloud, sondern um zwei getrennte Vorgänge. Der Strombezug "aus der Cloud" ist technisch gesehen ganz normaler Strombezug aus dem Netz.
"Am Ende sind das rechtlich ganz normale Stromlieferverträge für Reststrom mit besonderen Bedingungen für bestimmte Kunden, eben Prosumer", folgert Holger Schneidewindt, Referent für Energierecht bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Kosten für Prosumer-Tarife meist zu hoch – Verträge intransparent
Strom aus Prosumer-Tarifen kann für Solarbetreiber:innen finanziell kaum attraktiver sein als die übliche Vorgehensweise: Sie speisen Ihren überschüssigen Solarstrom ins Netz und erhalten dafür die Vergütung aus dem EEG. Für den Reststrom, den Sie aus dem Netz beziehen, zahlen Sie alle Beschaffungskosten, Netzdurchleitungspreise und gesetzlichen Abgaben, wie bei anderen Strombezugstarifen auch. Es gibt schlicht keine Kostenersparnis, die ein Stromversorger Kund:innen in Form eines Preisnachlasses weitergeben könnte. Diese Tatsache wird oft durch kreative Tarifkonstruktionen mehr oder weniger geschickt verschleiert.
So beinhalten die umfangreichen und für Laien kaum verständlichen Vertrags- und AGB-Klauseln häufig nur schwer nachvollziehbare Preis- und Abrechnungsmodalitäten. Ein Preisvergleich zwischen Prosumer-Tarifen und dem Bezug von Reststrom von einem "normalen" Versorger wird Verbraucher:innen damit praktisch unmöglich gemacht.
Die Tarife und Verträge sind auch deshalb kompliziert, weil die im Rahmen von Prosumer-Tarifen geflossenen Strommengen mit zusätzlichen Überschüssen und Mehrverbräuchen gegeneinander verrechnet und mit unterschiedlichen Preisen bewertet werden müssen. Strommengen sind mal zu hoch und mal zu niedrig und wenn sich der Stromverbrauch verändert, passt der Anbieter die Mengen und Preise nach einer nicht transparenten Berechnungslogik an.
Selbst bei manchen Anbietern hat die Begeisterung für Prosumer-Tarife bereits nachgelassen und so haben schon mehrere ihre Angebote inzwischen eingestellt oder sie versuchen, ihre Tarifmodelle zu vereinfachen.
Analyse zeigt: Prosumer-Tarife sind selten sinnvoll
Fast alle Prosumer-Tarife sind am Ende nicht günstiger, sondern deutlich teurer, als wenn Sie Ihren Reststrom von einem Stromversorger beziehen. Das ist jedenfalls das Ergebnis der "Vergleichsanalyse von Cloud- und Community-Angeboten in Deutschland" des Bonner Marktforschungsunternehmens EUPD Research, die im September 2020 herausgegeben wurde.
Nachteile von Prosumer-Tarifen
Wenn Sie sich für einen Prosumer-Tarif interessieren, müssen Sie sich nicht nur auf komplizierte Preis- und Vertragsmodelle einstellen, die schwer durchschaubar sind. Meist sind die Kosten auch höher, als wenn Sie Ihren Reststrom vom günstigen Anbieter beziehen. Aber es gibt noch weitere Aspekte, die zum Nachteil werden können.
Batteriespeicher meist zu groß
Meistens werden Prosumer-Tarife beim Kauf einer Photovoltaikanlage oder eines Batteriespeichers vom jeweiligen Verkäufer angeboten. Die Konditionen hängen dabei oft von der Dimensionierung des Batteriespeichers ab und nicht selten werden dabei viel zu große und damit unnötig teure Batteriespeicher verkauft. Schon das frisst einen möglichen Kostenvorteil der Prosumer-Tarife gegenüber dem Reststrombezug wieder auf.
Tarife variieren von Anbieter zu Anbieter
Die Prosumer-Tarife bestehen aus mehreren Komponenten, die je nach Anbieter unterschiedlich zusammengesetzt sind:
- Die Tarife beinhalten eine feste monatliche Pauschale, die eine bestimmte Menge Stromverbrauch oder Strombezug beinhaltet.
- Der ins Netz eingespeiste Strom wird vergütet oder nicht vergütet oder mit der aus dem Netz zurück bezogenen Menge verrechnet.
- Nicht abgerufene Strommengen innerhalb der Strommenge des Prosumer-Tarifs können verfallen.
- Zusätzlicher Strombezug über die Menge des Prosumer-Tarifs hinaus wird zusätzlich berechnet oder führt in Folgejahren zu einer höheren monatlichen Pauschale.
- Meistens ist der Kauf einer Photovoltaikanlage oder des Batteriespeichers von einem speziellen Anbieter nötig, um dessen Prosumer-Tarif nutzen zu können.
- Bei einzelnen Anbietern erhalten Sie als Anlagenbetreiber:in eine Vergütung dafür, dass der Anbieter des Prosumer-Tarifs den Batteriespeicher für Netzdienstleistungen nutzen darf. Die Vergütung erfolgt als vertraglich vereinbarter Geldbetrag oder als kostenlos gelieferte Strommenge.
Die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten dieser und weiterer Bausteine machen Prosumer-Tarife wenig transparent und den Vergleich untereinander sowie mit normalen Stromtarifen vom Stromversorger schwierig.
Lassen Sie sich beraten
In einer früheren Befragung von Prosumer-Tarif-Kund:innen durch EUPD Research antworteten drei Viertel der Solarbetreiber:innen, sie hätten sich für einen bestimmten Batteriespeicher entschieden, weil der Anbieter einen Prosumer-Tarif angeboten hatte. Die Empfehlung müsste aber umgekehrt lauten: Wählen Sie zuerst die für Ihre Bedürfnisse passende Technik und sinnvolle Größe von Photovoltaikanlage und Batteriespeicher.
Grundsätzlich bedeutet das, die Leistung der Photovoltaikanlage möglichst groß und die Kapazität des Batteriespeichers passend zum Stromverbrauch und eher knapp zu bemessen. Und falls dann ein Prosumer-Tarif angeboten wird, der dazu passt, überprüfen Sie, ob dieser wirklich günstiger ist als die Kosten für den benötigten Reststrom, den Sie vom günstigen Ökostrom-Anbieter beziehen können. Wenn Sie unsicher sind und Hilfe brauchen, bekommen Sie Rat, beispielsweise von der Energieberatung der Verbraucherzentralen.