Was tut der Handel gegen Lebensmittelverschwendung?
Um die Verschwendung im Lebensmitteleinzelhandel zu reduzieren, haben das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und 14 Unternehmen des deutschen Lebensmittelgroß- und -einzelhandels im Juni 2023 der den "Pakt gegen Lebensmittelverschwendung" geschlossen. Ziel: Die Verringerung der Lebensmittelabfälle um 30 Prozent bis 2025 und um 50 Prozent bis 2030. Dafür wurden rund 40 Maßnahmen erarbeitet, von denen allerdings nur wenige verpflichtend sind, wie beispielsweise die Weitergabe von noch verzehrfähigen Lebensmitteln an gemeinnützige Organisationen.
Wahlweise können die beteiligten Unternehmen auch Maßnahmen an der Schnittstelle zu Produzent:innen oder Verbraucher:innen umsetzen. Im Bereich Obst und Gemüse wurde beispielsweise verabredet, auf Anforderungen an Optik oder Größe zu verzichten, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Ebenso sollen auch Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern vermarktet werden.
Diese Maßnahmen sind allerdings nur zwei von zahlreichen "Wahlpflichtmaßnahmen", aus denen Unternehmen auswählen können, aber nicht müssen. Bisher ist nicht ersichtlich, welche Maßnahmen vom Handel konkret umgesetzt werden und ob und wie sie auf die Reduktionsziele einzahlen.
Ernüchternde Bilanz: Obst- und Gemüseangebot weder naturnah noch nachhaltig
Im Lebensmitteleinzelhandel besteht immer noch ein großes Potenzial, die Lebensmittelverschwendung zu verringern. Der Handel sollte die Anforderungen an Ästhetik als auch Größen- und Gewichtsnormen von Obst und Gemüse zugunsten einer naturnahen und nachhaltigen Sortimentsgestaltung anpassen.
Ein größeres Angebot von Obst und Gemüse der Klasse II im Markt trägt zu einem realistischeren Bild von landwirtschaftlich erzeugten Produkten bei und erhöht die Vermarktungschancen für Produkte, die von der aktuellen Norm abweichen. Am Ende geht es darum, auch durch die Sichtbarkeit von Schönheitsfehlern die Wertschätzung dieser genauso wertvollen Produkte zu erhöhen.
Zudem trägt mehr Natürlichkeit im Obst- und Gemüseregal laut Umweltbundesamt (UBA) zu einem besseren Klima bei. Damit Obst und Gemüse makellos aussehen kann, müssen Erzeuger:innen oft zusätzliche Pflanzenschutz- und Düngemittel einsetzen. Entsprechen die landwirtschaftlichen Produkte nicht den Vorgaben, nimmt der Handel sie in der Regel nicht ab. Im besten Fall werden sie weiterverarbeitet, häufig aber untergepflügt oder entsorgt. Das UBA hat zusammen mit Fachleuten Lösungsvorschläge für umwelt- und klimafreundlichere Vorgaben entwickelt.
Das fordern die Verbraucherzentralen
- Der Handel sollte auf eigene Anforderungen bezüglich Größe, Einheitlichkeit und Aussehen verzichten.
- Ziel sollte es sein, Obst und Gemüse generell wieder auf "naturnahe Sortierungen" umzustellen, so dass möglichst wenig Obst und Gemüse aus optischen Gründen nach der Ernte aussortiert werden muss und es damit leichter in den Verkauf gelangt.
- Obst und Gemüse verschiedener Größe ermöglicht es Verbraucher:innen, bedarfsgerecht auszuwählen. Im Interesse von Verbraucher:innen sollte Obst und Gemüse dann grundsätzlich nach Gewicht und nicht nach Stück verkauft werden.
- Maßnahmen zur Halbierung von Lebensmittelabfällen im Einzelhandel müssen konsequent und verbindlich angegangen werden, um die Reduktionsziele bis 2030 zu erreichen.
Hintergrund des Marktchecks
In einer bundesweiten Stichprobe haben die Verbraucherzentralen nach einer ersten Erhebung 2021 nun erneut die Obst- und Gemüseabteilungen von 25 Märkten des Lebensmitteleinzelhandels untersucht. Darunter befanden sich 12 Supermärkte, elf Discounter und zwei Bio-Supermärkte. Die Standorte der Märkte waren dabei die gleichen wie in der Vorerhebung, um eine Entwicklung sichtbar zu machen. Die Fragen wurden leicht reduziert und auf die wichtigsten Stellschrauben für die Reduzierung von unnötigen Verlusten bei Obst und Gemüse im Handel fokussiert.
In den jeweiligen Obst- und Gemüseabteilungen wurde erfasst, wie groß der Anteil von Klasse II bei Äpfeln und Möhren im Sortiment war. Insgesamt wurden 315 Apfel- und 119 Möhrenangebote in die Untersuchung einbezogen. Außerdem erfassten die Verbraucherzentralen, ob der Preis am Beispiel von Eisbergsalat und Kohlrabi nach individuellem Gewicht oder Stück berechnet wurde. Bei großen Unterschieden im Gewicht wurden stichprobenhaft Minimal- und Maximalgewichte erhoben.