Erlaubte gesundheitsbezogene Aussagen
Zugelassen hat die EU überwiegend Werbung für Vitamine und Mineralstoffe. Hersteller, die bestimmte Mindestmengen zusetzen, dürfen zum Beispiel damit werben, dass Vitamin C zur normalen Funktion des Immunsystems beiträgt oder Calcium für die Erhaltung normaler Knochen benötigt wird. Das gilt für alle Arten von Lebensmitteln, also auch für Nahrungsergänzungsmittel. Die meisten der anerkannten Auslobungen beziehen sich allerdings auf Nährstoffe, mit denen die Bevölkerung in der Regel hinreichend versorgt ist. Der oft beschworene Mangel unserer Böden ist ein Lügenmärchen! Durch die Claims werden Verbraucher:innen unnötig verunsichert - eigentlich nicht das, was die EU mit ihrer Verordnung erreichen wollte.
Auch auf die positive Wirkung von Ballaststoffen aus Roggen für die Verdauung dürfen die Hersteller hinweisen. Sagen dürfen sie ebenso, dass der Zusatz bestimmter Fettsäuren zur normalen Herzfunktion, normalen Sehkraft und normalen Gehirnfunktion beiträgt. Ebenfalls erlaubt sind die Aussagen, dass Phytosterine den Cholesterinspiegel senken, Walnüsse die Elastizität der Blutgefäße verbessern und Wasser die normale Körpertemperatur reguliert. Insgesamt wird aber oft zu viel versprochen.
Verbotene gesundheitsbezogene Aussagen
Für viele eingereichte Aussagen konnte kein Nachweis erbracht werden. Verboten sind beispielsweise folgende Aussagen:
- Glucosamin für gesunde Knochen und Gelenke
- Cranberry zur Förderung der Blasengesundheit
- Probiotische Joghurts wirken positiv auf das Immunsystem
Flexibilität der Hersteller konterkariert Absicht des Gesetzgebers
Allerdings bedienen sich Hersteller der langen Liste an erlaubten Aussagen inzwischen anders als ursprünglich gedacht: Jeder kann im Prinzip seine Produkte mit "wichtig für das Immunsystem", "schützt die Zellen" oder "hilft der Verdauung" bewerben - er muss nur die richtigen Vitamine, Mineralstoffe oder sonstige in der Liste erwähnte Substanzen in der richtigen Menge als Zusatz einsetzen.
Andere Hersteller nutzen die Positivliste als Alibifunktion. Produkte für deren Hauptzutat der beantragte Claim abgelehnt wurde, werden nun zusätzlich mit Stoffen versetzt, für die die gewünschte Werbeaussage gestattet ist. So wird ein Joghurt mit "probiotischen" Bakterien, der als solcher nicht mehr mit dem Lockruf "Stärkung des Immunsystems" angepriesen werden darf, kurzerhand mit Vitamin C aufgepeppt und darf wieder auf das Immunsystem hinweisen - in Zusammenhang mit diesem Vitamin. Allerdings ist der Hersteller dabei relativ eng an die Textvorgabe der EU gebunden, ein anderer als der zugelassene Gesundheitsbezug darf dabei nicht entstehen. Eine "Stärkung des Immunsystems" geht somit für Vitamin B6, Vitamin C, Vitamin D oder Zink nicht, sondern nur der Hinweis "trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei". Die auf der Vorderseite besonders angepriesene Zutat hat dann mit der beworbenen Wirkung oft gar nichts mehr zu tun, ist eine Art "Schmuckzutat".
Rasch zu viel genascht
Wer ständig zu angereicherten Lebensmitteln greift, riskiert damit unter Umständen eine Überversorgung mit bestimmten Mikronährstoffen. Dies ist keineswegs so unproblematisch, wie allgemein angenommen wird. Es mehren sich die Hinweise, dass zugesetzte Vitamine eher schaden als nützen, wie zum Beispiel bei überhöhter Zufuhr von künstlicher Folsäure. Aber auch zu viel Vitamin C ist nicht für alle unproblematisch. Gleiches gilt für Eisen oder Calcium.
Wichtig zu wissen: Damit die Produkte auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch die entsprechende Menge an Vitaminen enthalten, wird oft mehr zugesetzt, als auf der Verpackung angegeben wird. Besonders bei Getränken, von denen oft mehr als ein Glas am Tag getrunken wird, wird schnell die sichere Obergrenze für die Zufuhr überschritten.
Leider gibt in der EU immer noch keine Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Lebensmitteln – auch sie stehen seit fast 20 Jahren aus. Immerhin gibt es inzwischen Empfehlungen nicht nur für Nahrungsergänzungsmittel, sondern auch für angereicherte Lebensmittel. Verbindlich sind diese aber nicht. Und Verbraucher:innen sind damit überfordert, selbst einzuschätzen, ob das eigene Essverhalten bereits zu einer Überversorgung führt oder nicht.