Sprecher: Bevor ich Sie meinem Kollegen Dorian Lötzer überlasse, hier noch eine Ergänzung zu dieser erstmals im Juni 2022 veröffentlichten Episode. Seit Januar 2023 ist der sogenannte gelbe Scheine für die Krankmeldung digital. Arztpraxen melden die Krankmeldung direkt an die gesetzlichen Krankenkassen. Arbeitgeber rufen die Krankmeldung dann elektronische bei der Krankenkasse ab. Und nun viel Spaß mit der folgenden Episode von genau genommen - Der Verbraucherpodcast.
Dorian Lötzer: In Zeiten von Corona ist uns allen glaube ich präsenter geworden, wie schnell man krank – und damit arbeitsunfähig werden kann.
Aber welche Schritte muss man gehen, wenn es einen länger trifft? In dieser Folge geht es um das Krankengeld – wieviel Geld man erhält, wie lange man es bekommt und worauf muss man achten.
Mein Name ist Dorian Lötzer. Willkommen bei Genau Genommen
Bevor wir in die praktischen Teile einsteigen, möchte ich gerne kurz ein paar grundlegende Definitionsfragen klären. Und Unterstützen tut mich dabei heute Katharina Veith von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Katharina Veith: Krankengeld ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen, die bei Arbeitsunfähigkeit gezahlt wird. Das heißt, wenn der Gesundheitszustand einer Arbeit nicht zulässt – zum Beispiel durch einen Unfall oder eine Krankheit körperlicher oder geistiger Art – erhält man diese Leistung von der Krankenkasse. Das Krankengeld wird für jeden Tage gezahlt, an dem man krankgeschrieben ist.
Dorian Lötzer: Es geht also darum, dass wenn man länger nicht arbeiten kann, man weiterhin Geld zum Leben bekommt. Später schauen wir darauf, wer überhaupt definiert, ob man arbeitsunfähig ist. Jetzt erstmal die Frage: Wieviel wird denn gezahlt?
In den ersten 6 Wochen der Krankheit übernimmt der Arbeitgeber die Kosten; danach die gesetzliche Krankenversicherung. Wieviel man tatsächlich bekommt hängt letztendendes vom eigenen Gehalt ab. In der Regel sind das 70% des Bruttolohns, maximal aber 90% des Nettoeinkommens. Einmalzahlungen – wie zum Beispiel Weihnachtsgeld – werden dabei auch berücksichtigt. Abgezogen werden aber noch die eigenen Beiträge für die Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. Gedeckelt ist das Ganze aber bei einer Höchstgrenze von fast 113 Euro - pro Tag, den man krankgeschrieben ist.
In der Theorie ist das also ziemlich komplex errechnet, praktisch kann man sich aber merken: Das Krankengeld fällt in der Regel etwas geringer aus als das reguläre Gehalt.
Aber kriegt auch jeder, der krank wird, Krankengeld?
Katharina Veit: Das Krankengeld steht grundsätzlich Arbeitnehmer:innen, Auszubildenden und Bezieher:innen von Arbeitslosengeld 1 zu. Studierende fallen da in der Regel nicht unter, außer sie arbeiten eben auch schon in einem versicherungspflichtigen Job. Auch wer Familienversichert ist (also zum Beispiel Ehegatten oder Kinder) haben keinen Anspruch auf Krankengeld. Und Empfänger:innen von ALG 2, was man unter Hartz 4 kennt, erhalten weiterhin ihre Grundsicherung. Bei Selbstständigen ist es so, dass man sich um erstmal selbst und seinen Krankengeldanspruch kümmern muss. Man muss also entweder das bei der Krankenkasse zusätzlich beantragen und dann auch zusätzliche Beiträge zahlen oder man kann das über einen Wahltarif mit einem Krankengeldanspruch regeln oder man bemüht sich um eine private Krankentagegeldversicherung.
Dorian Lötzer: Meine nächste Frage wäre: Wie bekommt man überhaupt das Krankengeld?
Letztendlich gibt es einen ziemlich klar definierten Prozess, der mit dem Gang zum Arzt oder Ärztin anfängt. Um Krankengeld zu bekommen, muss man nämlich krangeschrieben werden. Und das wird von der Ärzt:in übernommen.
Dieser Gang muss aber nicht immer tatsächlich physisch stattfinden. Seit Oktober 2020 kann man auch per Videosprechstunde krankgeschrieben werden. Das Ganze fällt unter die sogenannte „Telemedizin“, wozu wir schon eine eigene Folge produziert haben, die ich in den Shownotes verlinke.
Für eine solche Videokrankschreibung muss aber einiges beachtet werden. Zum Beispiel ob es sich um eine Erst- oder Folgekrankschreibung handelt.
Katharina Veit: Krankschreibungen sind seit Oktober 2020 Videosprechstunde möglich, im Grundsatz. Das geht aber zum einen nur, wenn die Patientin oder der Patient in der Arztpraxis bereits persönlich bekannt ist und dann auch erstmal nur als Erstbescheinigung für maximal 7 Tage. Folgebescheinigung können per Video nur ausgestellt werden, wenn die Arbeitsunfähigkeit vorher schon bei einem früheren Arztbesuch festgestellt worden ist. Und grundsätzlich muss man auch sagen, dass es im Ermessen der Ärzte oder Ärztinnen liegt, die Videosprechstunde anzubieten. Das heißt, man hat keinen Anspruch darauf. Und es muss auch sichergestellt werden, dass die Arbeitsunfähigkeit per Video auch ausreichend sicher beurteilt werden kann. Das heißt, es gibt immer noch Krankheiten oder Untersuchungen, die nur vor Ort durchgeführt werden können.
Dorian Lötzer: Sofern die behandelnde Ärz:in aber feststellt, dass man nicht arbeiten kann, wird man krankgeschrieben. Diese Krankschreibung wird oft einfach „Attest“ oder „gelber Schein genannt“, ist förmlich aber eine sogenannte „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ und stellt fest, dass man nun unfähig ist, die eigene Arbeit zu vollbringen.
Alleine die Bescheinigung von der Ärzt:in ausgestellt zu bekommen reicht aber noch nicht. Damit man dann auch das Krankengeld bekommt, muss man diese auch einreichen. Und das geschieht zunächst beim eigenen Arbeitgeber. Und zwar so schnell wie möglich, weil man in der Regel spätestens am 4. Fehltag die Bescheinigung einreichen muss.
Innerhalb einer Woche sollte die Krankschreibung dann auch der Krankenkasse vorgelegt werden, was nicht automatisch vom Arbeitgeber übernommen wird. Am besten bei der eigenen Krankenkasse herausfinden, wie das geht. Oft geht sowas auch per Scan oder über eine App.
Wie lange man im Endeffekt Krankengeld bekommt, hängt auch von der Einschätzung der Ärzt:in ab.
Katharina Veit: Insgesamt kann man wegen derselben Krankheit maximal 78 Wochen innerhalb von 3 Jahren Krankengeld erhalten. Da zählt die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers auch mit rein und es muss auch nicht an einem Stück genommen werden oder ausgezahlt werden. Aber nach 78 Wochen muss man sich dann eben neu orientieren. Dann gibt es kein Krankengeld mehr.
Dorian Lötzer: Hierbei ist eine Sache wichtig zu beachten: Diese 78 Wochen – also grob 18 Monate – sind die maximale Zeit, die man in 3 Jahren Krankengeld bekommen kann. Sie sind nicht die maximale Zeit für eine Krankschreibung. Und sie müssen auch nicht am Stück genommen werden.
Wenn man also für die gleiche Krankheit neu krankgeschrieben wird – oder sich eine Folgekrankschreibung ausstellen lässt – zählt diese zu der 78 Wochen-Höchstgrenze.
Wo ich aber schon von Folgekrankschreibungen spreche: Wenn man am Ende der Krankschreibung noch nicht kuriert ist und mehr Zeit zur Heilung benötigt, gibt es etwas, was man beachten sollte. Hier nochmal Katharina Veit:
Katharina Veit: Krankengeld erhält man grundsätzlich durchgehend nur, wenn man auch lückenlos mit einem Attest nachweisen kann, dass man auch krank ist. Dass es in der Regel nicht rückwirkend möglich. Das heißt spätestens an dem Tag, an dem das eine Attest ausläuft, muss man wieder zum Arzt oder zur Ärztin gehen und sich ein neues ausstellen lassen. Wenn es dabei zu Lücken kommt, dann kann es sein, dass die Krankenkasse die Zahlungen einstellt, bis eine neue Folgebescheinigung eingereicht werden kann. Das ist bei ein paar Tagen Lücke vielleicht ein wenig ärgerlich. Aber wenn die Lücke länger als einen Monat ist, dann kann es wirklich problematisch werden, weil dann im schlimmsten Fall sogar der Versicherungsschutz verloren werden kann.
Dorian Lötzer: Wenn es sich abzeichnet, dass der Zeitraum der Krankschreibung nicht reichen wird, sollte man sich frühzeitig um einen neuen Termin kümmern um eine lückenlose Folgekrankschreibung sicherzustellen. So geht dann auch kein Einkommen verloren.
Eine Frage kommt immer wieder auf: Darf ich während meiner Krankschreibung in den Urlaub fahren?
Die Frage ist insofern verständlich, als dass eine Krankschreibung kein Urlaub ist und es sich deswegen komisch anfühlen kann, sich an einen Strand zu legen. Nichtsdestotrotz soll man sich ja erholen, wenn man krankgeschrieben ist. Kann ich also in den Urlaub oder muss ich zuhause bleiben?
Katharina Veit: Im Grundsatz darf man verreisen. Innerhalb Deutschlands ist es so, dass das ohne Zustimmung möglich ist. Das heißt die Krankenkasse muss auch nicht informiert werden. Man muss nur darauf achten, dass man weiterhin alle ärztlichen Untersuchungen wahrnehmen kann. Außerhalb von Deutschland muss man das vorher bei der Krankenkasse beantragen. Da lässt man sich am besten auch dann vom Arzt oder von der Ärztin bestätigen, dass es der Gesundheit nicht schadet, diese Reise anzutreten. Innerhalb der EU gibt es auch Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wo entschieden worden ist, dass die Krankenkasse in den meisten Fällen das Krankengeld weiterzahlen muss, wenn keine Leistungsmissbrauch vermutet wird.
Dorian Lötzer: Bei der Krankenkasse muss also ein Urlaub außerhalb Deutschlands beantragt werden, sie darf aber nicht ohne weiteres widersprechen – zumindest nicht im EU-Ausland. Außerhalb der EU ist das aber anders. So ein Urlaub gilt als Fernreise und kann zur Folge haben, dass einem die Zahlungen gestrichen werden.
Als letzten Punkt möchte ich noch auf diese Dynamik – also zwischen der erkrankten Person und der Krankenkasse – genauer eingehen. Die Krankenkasse zählt ja nach der 6. Krankheitswoche das Krankengeld – sie hat also ein Interesse daran, dass dieses auch notwendig ist. Und kann auch eine Überprüfung der Krankschreibung durchführen lassen. Dies geschieht dann durch die sogenannten „medizinischen Dienste“. Wie genau diese funktionieren, habe ich Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale NRW gefragt.
Sabine Wolter: Der medizinische Dienst, beziehungsweise die medizinischen Dienste (es gibt in den einzelnen Regionen bundesweit circa 15 medizinische Dienste) haben die Aufgabe, die Krankenkassen in Grundsatzfragen zu beraten. Und begutachten auch. Am bekanntesten ist zum Beispiel die Aufgabe des medizinischen Dienstes bei der Begutachtung für die Einstufung eines Pflegegrades, die Begutachtung für die Notwendigkeit einer Reha oder die Überprüfung an Arbeitsunfähigkeit.
Die Krankenkassen beauftragen meistens den medizinischen Dienst, wenn die Krankheit schon lange dauert oder länger dauert oder wenn eben ein Verdacht besteht, dass bereits eine Gesundung eingetreten ist. Also es ist ein Anlass gegeben, wie gesagt, der liegt entweder in der Länge der Krankheit oder in einem Zweifel an der Krankheit.
Der medizinische Dienst beurteilt im Wesentlichen nach sogenannter Aktenlage den Fall. Das heißt ihm liegen die Behandlungsunterlagen vor und daraus soll der medizinische Dienst ein Gutachten erstellen.
Es wird normalerweise keine persönliche Begutachtung durchgeführt, sondern es ist eben wichtig, welche ärztlichen Unterlagen liegen ihm vor? Das heißt, wenn jemand die Aufforderung bekommt, eine Begutachtung durch den medizinischen Dienst zu bekommen, dann sollte man auch ärztliche Unterlagen, die man vielleicht noch bei sich hat, auch einreichen. Neben der aktuellen Behandlungsunterlagen des Arztes.
Dorian Lötzer: wenn man also krankgeschrieben ist und eine Begutachtung durch einen medizinischen Dienst gemacht werden soll, ist es wichtig, alle relevanten Unterlagen einzureichen. Denn auf das Ergebnis dieser Bewertung kann sich die Krankenkasse beziehen. Und es ist absolut möglich, dass der medizinische Dienst zu einem anderen Ergebnis kommt, als die eigene Ärztin. Doch was dann?
Sabine Wolter: In einem solchen Fall ist es wichtig, schnell und zügig vorzugehen durch dieses abschlägige Gutachten können durchaus große Probleme entstehen. Man sollte sich dann unverzüglich mit seinem Hausarzt oder dem behandelnden Arzt beraten. Der hat die Möglichkeit, innerhalb bestimmter Fristen ein Zweitgutachten zu beantragen, wenn er mit der Bewertung nicht einverstanden ist. Das sollte man dann auch auf jeden Fall machen. Zum anderen kommt es auch darauf an, ob die Krankenkasse – das Gutachten des medizinischen Dienstes für die Krankenkasse verpflichtend – ob die Krankenkasse aufgrund dieses Gutachtens, die einen Bescheid erlässt, mit dem die Krankengeldzahlung aufgehoben wird oder beendet wird. Und das kann für viele Menschen ja dann auch wirklich essentiell sein.
Das heißt, ich muss zweierlei oder dreierlei sogar machen. Ich muss sofort mit meinem Arzt sprechen. Ich muss wissen „was ist in diesem Gutachten tatsächlich bewertet worden?“ „Ist jetzt ein richtiges Gutachten?“ also eine gutachterliche Stellungnahme, wo sich jemand ausgiebig mit meinem Sachverhalt und den Unterlagen befasst hat? Beziehungsweise ist es vielleicht nur ein kurzer Vermerk, aus dem man erkennen kann „da hat sich jemand vielleicht nicht so viel Mühe gemacht.“ In diesen Fällen müsste der Arzt dann ein Zweitgutachten beantragen bei der Krankenkasse. Wenn der Bescheid aufgehoben wird über die Krankengeldzahlungen, dann muss ich Widerspruch einlegen.
Eventuell bleibt mir sogar nur der Weg zum Sozialgericht, um eine einstweilige Verfügung zu beantragen, mit der dann die Krankenkasse verpflichtet wird, auch weiterhin Krankengeld zu zahlen. Was aber auch von besonderer Bedeutung ist, ist wenn der Arzt davon ausgeht, dass man auch weiterhin arbeitsunfähig ist, dass er ihnen auch fortwährend, solang er meint, dass sie eben arbeitsunfähig sind, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen. Das ist ganz wesentlich, denn für den Krankengeldbezug müssen sie ja lückenlos die Arbeitsunfähigkeit nachweisen können und das ist auch dann der Fall, wenn der Gutachter zu einem anderen Ergebnis kommt und der Arzt eben sagt, sie sind nach wie vor arbeitsunfähig.
Dorian Lötzer: Auch Sabine Wolter betont, dass die lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wichtig ist. Insbesondere im Streitfall.
Das kann alles ziemlich gruselig klingen. Und ich kann leider auch nicht sagen, dass diese Arten von Auseinandersetzungen nur extrem selten vorkommen. Es ist deshalb wichtig für uns zu wissen, dass auch der Krankenkasse Grenzen gesetzt sind. Auch, wenn sie teilweise versuchen, diese auszureizen.
Katharina Veit: Was wir in letzter Zeit auch mehrfach beobachten in den Verbraucherzentralen ist, dass die Krankenkassen einen gewissen Druck aufbauen, auf die Verbraucherinnen und Verbraucher. Da gibt es gesetzliche Regelungen. Die Krankenkassen dürfen nur in sehr begrenzten Fällen Fragen stellen zu der Krankschreibung. Sie darf im Grunde nur fragen, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt das voraussichtlich erfolgen wird. Und die Krankenkasse darf fragen, ob es konkret bevorstehende diagnostische oder therapeutische Maßnahmen gibt. Alle anderen Fragen zum Gesundheitszustand, ob es Alternativen gäbe zur zum Krankengeld, ob eventuell eine Rente geplant ist, das darf die Krankenkasse alles nicht mehr Fragen. Und die Krankenkasse darf sie zu diesem Thema auch nur dann telefonisch kontaktieren, wenn Sie dem ausdrücklich zugestimmt haben vorher. Andernfalls, wenn sie dem nicht zugestimmt haben oder diese Zustimmung wieder widerrufen haben, dann darf die Krankenkasse sie nur schriftlich kontaktieren und darauf sollten Sie auch bestehen und sich nicht am Telefon zu Aussagen hinreißen lassen, die sie später vielleicht lieber wieder zurücknehmen würden.
Dorian Lötzer: Wenn man also das Gefühl hat, dass die Krankenkasse ein bisschen aufdringlicher ist, als sie sein sollte, dann lieber gut überlegen, was man ihr sagt und was nicht.
Mehr Informationen hierzu und zum Krankengeld generell gibt es auf Verbarucherzentrale.de. Wenn euch die Folge gefallen hat, freue ich mich, wenn ihr den Podcast abonniert. Kontaktieren kann man uns über podcast@vz-bln.de.
Mein Name ist Dorian Lötzer und heute haben wir das Krankengeld genau genommen.