Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2021, Az. I ZR 17/21
Vorinstanz: OLG Hamburg, Urteil vom 28.01.2021, 15 U 128/19
Nach Identitätsdiebstahl erhielt eine Verbraucherin eine Zahlungsaufforderung, weil ein Unbekannter einen Mobilfunkvertrag zu ihren Lasten abgeschlossen hatte. Leistungen erhielt sie nicht. Doch die aufgelaufenen Vertragskosten sollte sie bezahlen. Das sah der Bundesgerichtshof jedoch nun anders.
Eine Zahlungsaufforderung eines Unternehmens gegenüber einer Verbraucherin ist unzulässig und irreführend nach §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1 UWG , wenn der Zahlungsaufforderung kein entsprechender Vertrag zugrunde liegt.
Das Versenden einer solchen unberechtigten Zahlungsaufforderung stellt eine irreführende geschäftliche Handlung dar. Die mit der Zahlungsaufforderung verbundene Behauptung, die Adressatin habe einen Vertrag geschlossen, ist unwahr. Eine solche falsche Angabe ist geeignet, die angesprochene Verbraucherin irrezuführen.
Selbst ein aufmerksamer Durchschnittsverbraucher läuft Gefahr aufgrund einer solch täuschenden Zahlungsaufforderung unter Umständen eine geschäftliche Handlung vorzunehmen und die geforderte Zahlung zu veranlassen. Unerheblich ist, dass das Inkassounternehmen, das die Verbraucherin zur Zahlung aufgefordert hatte, selbst irrtümlich davon ausging, dass ein Vertrag zwischen dem Telekommunikationsanbieter und der Verbraucherin geschlossen worden war. Weder § 5 UWG noch Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken setzen voraus, dass der Gewerbetreibende vorsätzlich falsche Angaben macht.
Ein Verstoß gegen Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG liegt nach richtlinienkonformer Auslegung allerdings nicht vor. Nr. 29 Blacklist bezieht sich ausdrücklich auf Produkte, die vom Gewerbetreibenden geliefert oder Dienstleistungen, die erbracht worden sind, aber vom Verbraucher nicht bestellt worden waren. Der BGH hält insoweit an seiner in der Entscheidung Identitätsdiebstahl I vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Da die Verbraucherin die Sim-Karte nicht erhalten hatte, war die Leistung nicht erbracht. Die Verbraucherin war nicht in die Lage versetzt, die Leistung zu nutzen oder über deren Verwendung zu bestimmen. Allerdings steht die Nichterfüllung des Nr. 29 Blacklist der Annahme einer unlauteren geschäftlichen Handlung nach § 5 Abs. 1 UWG nicht entgegen. Ein Wertungswiderspruch liegt nicht vor.
Mit der Regelung des Nr. 29 Blacklist soll eine Drucksituation vermieden werden, § 5 UWG soll gewährleisten, dass ein Verbraucher seine Entscheidung zutreffend informiert treffen kann.
Zum Volltext der Entscheidung:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.10.2021 (Az. I ZR 17/21)