Digitale Helfer fürs Wohnen im Alter: Wann die Kassen Kosten übernehmen

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Digitale Systeme können älteren Menschen beim eigenständigen Wohnen helfen. Pflegekassen zahlen dafür allerdings bisher nur selten. Möglich sind aber auch Zuschüsse von der Krankenkasse.
Jemand benutzt ein Tablet und steuert damit seine Heizung.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die meisten Menschen wollen sicher zuhause bis ins hohe Alter leben. Viele digitale Hilfssysteme können dabei helfen.
  • Die Pflegekassen springen nur selten für die Kosten ein. Stellen Sie trotzdem einen Antrag, da vieles in Bewegung ist.
  • Die Ausnahme: Ein Hausnotruf wird ab Pflegegrad 1 übernommen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
  • Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass die Krankenkasse solche Technologien als Hilfsmittel übernimmt.
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Immer mehr Menschen werden immer älter – und fast alle haben den Wunsch, auch im Alter zuhause zu leben. Gleichzeitig machen digitale Systeme große Fortschritte und es entstehen immer neue Lösungen, mit denen man sich beim Alltag helfen lassen kann. Damit ist klar: Hilfssysteme werden beim Altern, bei Krankheit und Pflege eine zunehmende Rolle spielen. Das Prinzip heißt "Ambient Assisted Living", zu Deutsch etwa: "Alltagstaugliche Assistenzlösungen für ein selbstbestimmtes Leben".

Zu solchen digitalen Lösungen zählen zum Beispiel:

  • Eine automatische Herdabschaltung oder Bewegungsmelder, die nachts bei Bewegung das Licht einschalten.
  • Mit entsprechender Ausstattung kann eine Software Licht, Heizung und Rollladen steuern.
  • Eine unterschiedliche Farbgestaltung kann demenzerkrankten Menschen helfen. Lampen können zum Beispiel den Tag über automatisch ihre Farben verändern.

Wann übernimmt die Pflegekasse Kosten für Pflegehilfsmittel?

Technische Hilfsmittel zahlen Pflegekassen nur unter engen Voraussetzungen. Grundsätzlich gilt: Damit das überhaupt in Frage kommt, müssen Sie bereits einen Pflegegrad haben.

Regulär übernommen wird unter digitalen Systemen bisher nur der Hausnotruf. Auch hier prüft die Pflegekasse im Vorfeld verschiedene Voraussetzungen. Zum Beispiel muss der Pflegebedürftige bereits einen Pflegegrad haben, über den ganzen bzw. weite Teile des Tages allein leben oder mit jemandem zusammen, der in einer Notsituation nicht in der Lage ist, Hilfe zu holen. Außerdem muss er in der Lage sein, den Hausnotruf zu bedienen (Demenz kann hier ein Hinderungsgrund sein). Außerdem wird unter bestimmten Voraussetzungen auch ein mit geringen Funktionen ausgestattetes Pflegebett übernommen. Stellen Sie dafür bei der Pflegekasse einen entsprechenden Antrag.

Ob auch Pflegehilfsmittel übernommen werden, die nicht im Verzeichnis stehen, ist unklar. Es kann sich daher lohnen, einen Antrag zu stellen.

Es geht bei digitalen Assistenzsystemen in der Pflege nicht um technische Spielereien. Schon heute können digitale Anwendungen Pflegebedürftigen das Leben zu Hause deutlich erleichtern und die Lebensqualität steigern. Ein Rechtsgutachten im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) schlägt darum einen Erstattungsanspruch vor, wenn die Produkte einen pflegerischen Nutzen erfüllen.

Übernahme der Kosten als wohnumfeldverbessernde Maßnahme?

In einigen Fällen übernimmt die Pflegekasse diese Technologien jedoch als wohnumfeldverbessernde Maßnahme. Der Begriff "wohnumfeldverbessernde Maßnahme" bezeichnet Umbauten und technische Hilfen in den eigenen vier Wänden. Durch solche Maßnahmen soll die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert werden. Eine Anpassung des Wohnumfeldes kann auch zur Verringerung der Belastung für den Pflegebedürftigen beziehungsweise die Pflegepersonen und zur selbständigen Lebensführung durchgeführt werden.

Wenn die Voraussetzungen für eine solche Maßnahme vorliegen, wird diese pro Maßnahme mit 4000 Euro bezuschusst.

Auch dafür müssen Sie einen bewilligten Pflegegrad haben.

Einen solchen Zuschuss müssen Sie bei der Pflegekasse beantragen. Machen Sie das am besten zuerst und warten Sie auch die Genehmigung ab, bevor Sie teure Maßnahme in Angriff nehmen. Sonst könnten Sie nachher auf den Kosten sitzen bleiben.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Übernahme als wohnumfeldverbessernde Maßnahme bisher nicht einheitlich erfolgt. Welche Maßnahmen in welcher Situation von der Pflegekasse bezahlt werden, lässt sich darum nicht sicher abschätzen.

Übernahme von digitalen Unterstützungssystemen durch die Krankenkassen

Die Krankenkasse muss ebenfalls die Kosten für Hilfsmittel übernehmen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. So wurde Ende des Jahres 2020 eine Krankenkasse verurteilt vom Bundessozialgericht (B 3 KR 15/19 R) verurteilt, für einen geistig behinderten Menschen eine GPS-Armbanduhr zu bezahlen: Das BSG hat entschieden: Durch diese Uhr kann sich der betroffene Mensch ohne Aufsichtsperson in der Öffentlichkeit aufhalten. Die Uhr gleicht in dem Fall also eine Behinderung aus – darum ist die Krankenkasse zuständig.

Der Behindertenausgleich ist nicht auf eine Minimalversorgung beschränkt, sondern muss der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG folgend das Grundbedürfnis des täglichen Lebens und hier besonders auf das Recht auf persönliche Mobilität erfüllen.

Somit ist die GPS-Armbanduhr kein Pflegehilfsmittel. Der Grund: Die Uhr erleichtert weder die Pflege noch ermöglicht sie diese. Darum ist in dem Fall die Pflegekasse nicht zuständig.

Was können Sie tun?

Derzeit sind viele Einzelheiten zur Übernahme von digitalen Helfern ungeklärt. Falls Sie einen digitalen Helfer benötigen, sollten Sie die Übernahme bei der Pflegekasse beantragen. Falls Sie eine Ablehnung erhalten, können Sie gegen diese Widerspruch einlegen.

Wie das Urteil des Landgerichtes zeigt, ist hier viel in Bewegung.

Letztlich besteht dann auch die Möglichkeit, dass die Krankenkasse die Kosten übernehmen muss.

Welche digitalen Produkte und Dienstleistungen gibt es, die im Alter ein selbstbestimmtes Leben im Alter unterstützen können? Und was genau kann jedes einzelne leisten? Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten "Wegweiser Alter und Technik" können Sie verschiedene technische Lösungen kennen lernen.

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Dieser Inhalt wurde von der Gemeinschaftsredaktion in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Thüringen für das Netzwerk der Verbraucherzentralen in Deutschland erstellt.

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