Das Wichtigste in Kürze:
- Pyrrolizidinalkaloide (PA) können natürlicherweise in pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln (vor allem Wasserdost, Huflattich, Borretsch), sowie in Blütenpollen und in Bienenprodukten (Gelée royale) enthalten sein.
- Durch Verunreinigungen sind auch Johanniskraut-haltige Nahrungsergänzungsmittel (nicht Arzneimittel) betroffen.
- Pyrrolizidinalkaloide sind auch in kleinsten Mengen gesundheitsschädlich (giftig für die Leber, krebserregend).
- Gesetzliche Höchstmengen für PA gelten nur für Nahrungsergänzungsmittel! Achten Sie bei Blütenpollen und Bienenprodukten auf Herstellerhinweise, dass die Produkte auf PA kontrolliert wurden.
In welchen Nahrungsergänzungsmitteln könnten Pyrrolizidinalkaloide vorkommen?
Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind natürliche Inhaltsstoffe verschiedener Pflanzen. Sie können das Erbgut schädigen und Krebs hervorrufen. Ihre Abbauprodukte sind giftig für die Leber. Bisher sind mehr als 600 verschiedene PA bekannt.
Zu den für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) interessanten PA bildenden Pflanzen gehören beispielsweise:
- Borretsch (Borrago officinalis)
- Wasserdost (Eupatorium perfoliatum)
- Siamkraut/Bitter bush/Butterfly weed (Chromolaena odorata)
- Beinwell (Symphytum officinale)
- Echter Steinsame (Lithospermum officinale)
- Geflecktes Lungenkraut (Pulmonaria officinalis)
- Pestwurz (Petasites hybridus)
- Huflattich (Tussilago farfara)
- Natternkopf (Echium)
- Greisskraut (Senecio)
Diese Pflanzen können einerseits selbst Bestandteil (Zutat) von pflanzlichen NEM sein. PA können aber auch durch das Miternten von diesen oder anderen PA bildenden Beikräutern - als Verunreinigung - in pflanzliche NEM (sowie Kräuter und Kräutertees) hineingelangen. Das ist häufig bei Nahrungsergänzungsmitteln mit Johanniskraut der Fall.
Nach Ansicht des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) können Erwachsene über diese Produkte größere PA-Mengen aufnehmen, auch wenn die Belastung mit PAs insgesamt abgenommen hat. In einigen NEM ist nach Angaben des BfR der Gehalt sogar so hoch, dass bereits nach kurzfristigem Verzehr toxische Wirkungen möglich sind. Insbesondere aber könnte die Verwendung derartiger Produkte über längere Zeit zu einem Gesundheitsrisiko werden.
Eine Untersuchung im Auftrag der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA ergab, dass 60 % der untersuchten 191 Nahrungsergänzungsmittel PA enthielten, jedoch in sehr unterschiedlichen Mengen. Am meisten belastet waren NEM, die die oben genannten PA-bildenden Pflanzen enthielten.
Bei uns besonders relevante Pflanzen sind Borretsch, Wasserdost und Huflattich. Auch Johanniskraut-haltige Produkte waren in fast jeder untersuchten Probe mit PA belastet. Da Johanniskraut selbst keine PA-bildende Pflanze ist, stammen die enthaltenen PA in diesem Fall vermutlich aus einer Verunreinigung mit anderen Wildkräutern.
Weitere kritische NEM sind Bienenprodukte (vor allem auf Basis von Pollen, Gelée Royal, und Bienenharz, selten Propolis). Die PA gelangen über Bienen, die PA-haltige Kräuter anfliegen, in diese Produkte.
Auf was sollte ich achten?
- Seit dem 1. Juli 2022 gibt es gesetzliche Höchstmengen für PA in Nahrungsergänzungsmitteln. Vorher hergestellte Produkte durften noch bis 31.12.2023 verkauft werden, das Mindesthaltbarkeitsdatum könnte durchaus noch in 2025 liegen.
- NEM-Produzenten sind also verpflichtet, ihre Produkte auf PA-Gehalte hin zu untersuchen.
- Trotzdem sollten Sie bei Nahrungsergänzungsmitteln, die eine der oben genannten Pflanzen enthalten, darauf achten, dass es auf der Verpackung bzw. der Internetseite Informationen oder Untersuchungsergebnisse zu PA bzw. entsprechenden Kontrollen und Qualitätssicherungsmaßnahmen gibt.
- Blütenpollen und Gelée Royale sind eher keine Nahrungsergänzungsmittel. Daher gelten die gesetzlichen Höchstmengen nicht. Hier sollten Sie auf jeden Fall nach Packungshinweisen suchen oder beim Hersteller/Importeur nachfragen, ob das Lebensmittel auf Pyrrolizidinalkaloide hin untersucht wurde. Bei Blütenpollen sind insbesondere solche aus Spanien betroffen.
Was sind Pyrrolizidinalkaloide?
Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind natürliche Inhaltsstoffe verschiedener Pflanzen. Sie werden als Fraßschutz gebildet.
PA kommen in mehr als 6.000 Pflanzenarten vor, vor allem in drei Familien:
- den Korbblütlern (Asteraceae)
- den Hülsenfrüchtlern (Fabaceae oder Leguminosae) und
- den Rauhblatt- oder Borretschgewächsen (Boraginaceae)
Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA geht davon aus, dass PA beim Menschen das Erbgut schädigen und Krebs hervorrufen können. Ihre Abbauprodukte sind zudem giftig für die Leber. PA können daher auch in kleinen Mengen ein Risiko für die Gesundheit darstellen. In Lebensmitteln wie auch in Nahrungsergänzungsmitteln sind PA daher unerwünscht.
Während es bei (pflanzlichen) Arzneimitteln schon immer gesetzliche Grenzwerte (Höchstmengen) für PA gegeben hat, gibt es sie bei Nahrungsergänzungsmitteln erst seit dem 1. Juli 2022 (VO (EU) 2020/2040). Die Höchstmenge beträgt für Nahrungsergänzungsmittel
- mit pflanzlichen Inhaltsstoffen einschließlich Extrakten 400 µg/kg
- auf Pollenbasis, Pollen und Pollenprodukte 500 µg/kg.
Grenzwerte gibt es allerdings nur für spezielle Lebensmittel, nicht alle Pollen- oder Bienenprodukte werden als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. PA kann man auch in ganz normalen Lebensmitteln wie Gewürzen und Kräutern, Kräutertees oder Honig weder sehen noch riechen oder schmecken. Während die Exposition vor allem durch Tees (auch hier gibt es zukünftig Höchstmengen) in den letzten Jahren stark abgenommen hat, gibt es für Kräuter und Nahrungsergänzungsmittel bisher keine Entwarnung. Auf der sicheren Seite sind Verbraucher:innen demnach erst ab 2024.
Weitere Fragen und Antworten gibt es in den FAQs des BfR.
Quellen:
Fragen und Antworten zu Pyrrolizidinalkaloiden in Lebensmitteln. Aktualisierte FAQ des BfR vom 16.12.2022 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)
Bundesinstitut für Risikobewertung (2020): Aktualisierte Risikobewertung zu Gehalten an 1,2-ungesättigten Pyrrolizidinalkaloiden (PA) in Lebensmitteln. Stellungnahme Nr. 026/2020 des BfR vom 17.06.2020 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)
Bundesinstitut für Risikobewertung (2019): Pyrrolizidinalkaloidgehalt in getrockneten und tiefgefrorenen Gewürzen und Kräutern zu hoch. Stellungnahme Nr. 017/2019 vom 13.05.2019 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)
Laves - Institut für Bienenkunde Celle (Juni 2020): Pyrrolizidin-Alkaloide: Honig, Pollen, Bienen. (abgerufen am 03.08.2023)
Muldera PPJ, López Sánchez P, These A et al. (2015): External Scientific Report: Occurrence of Pyrrolizidine Alkaloids in food. EFSA supporting publication 2015: EN-859
EFSA-Panel on Contaminants in the Food Chain (2011): Scientific Opinion on Pyrrolizidine alkaloids in food and feed. EFSA Journal 9(11): 2406-2540
Kapp T (2017): Pyrrolizidinalkaloide in Küchenkräutern – Vorsicht bei borretschhaltigen Mischungen, CVUA Stuttgart 18.04.2017 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)
Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA: Pyrrolizidinalkaloide in Tee, Kräutertees und Nahrungsergänzungsmitteln. Stand: 27.07.2017 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)
Lerch C. et al (2018): "Superfood" – hält nicht, was der Name verspricht. CVUA Stuttgart, Stand: 28.08.2018 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)
Verordnung (EU) 2020/2040 der Kommission vom 11.12.2020 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 hinsichtlich der Höchstgehalte an Pyrrolizidinalkaloiden in bestimmten Lebensmitteln
Verordnung (EU) 2023/915 der Kommission vom 25.04.2023 über Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln
Riemenschneider C (2021): Pyrrolizidinalkaloide. CVUA Freiburg, Stand: 23.03.2021 (zuletzt abgerufen am 13.08.2024)