Nicht zuletzt gibt es aber auch in lebensmitteltauglichen Pflanzen sekundäre Pflanzenstoffe, von denen ein Zuviel in Form eines Extraktes ein Problem bedeuten kann. Und es gibt auch darin weitere nicht ganz ungefährliche Inhaltsstoffe (natürliche Schadstoffe) wie Cumarin, Morphin, Blausäure, Phasin oder THC in Hanfprodukten. Tatsächlich sind laut Bundesinstitut für Risikobewertung (Mai 2024) 47 Prozent der Bevölkerung diese Schadstoffe gar nicht bekannt, 53 Prozent fühlen sich dazu schlecht informiert. Welche natürlichen Schadstoffe vor allem in Nahrungsergänzungsmitteln eine Rolle spielen, finden Sie hier.
Im Juni 2024 wurde ein Bericht der Arbeitsgruppe Nahrungsergänzungsmittel, in der 26 europäische Länder aktiv sind, veröffentlicht. Sie hat 117 Stoffe identifiziert, die aufgrund ihrer möglicherweise gefährlichen Eigenschaften (karzinogen, mutagen, erbgutverändernd) ein Gesundheitsrisiko darstellen können. Daher sollten sie nicht oder nur eingeschränkt in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden. Für diese 12 Stoffe wird jetzt vorrangig eine rechtsverbindliche Regelung angestrebt:
Traubensilberkerze (Cimicifuga), Johanniskraut, Maca, Australischer Teebaum, Indisches Basilikum (Tulsi), Tribulus terrestris (Erdsternchen), Schlafbeere (Ashwagandha, Withania somnifera), Cumarin, Curcumin, Melatonin, Piperin, Synephrin und Tryptophan.
Einige dieser Stoffe sind Arzneipflanzen oder auch in Arzneimitteln enthalten. Hier wird vor der Zulassung eine Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen. So etwas gibt es bei Nahrungsergänzungsmitteln nicht. Deswegen ist hier eine Regelung nötig, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Verbotene gesundheitsschädliche Pflanzen
Einen ersten Anhaltspunkt über die Sicherheit sowie die Eingruppierung der Pflanzen als Lebensmittel oder Arzneimittel liefert die Stoffliste für Pflanzen und Pflanzenteile vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), die gemeinsam mit Österreich und der Schweiz erarbeitet wurde. Diese Liste mit etwa 850 Pflanzen soll der einheitlichen Einschätzung der deutschen Lebensmittelüberwachungsbehörden dienen, ist aber bisher nicht rechtsverbindlich. Zusätzlich gibt es eine Liste mit Pilzen und eine mit Algen.
Hinzu kommt, dass Pflanzenextrakte bei Lebensmitteln nicht standardisiert sind (es gibt keine Vorgaben zur Herstellung und Zusammensetzung), sodass es letztendlich doch immer wieder zu Einzelfallbewertungen kommen muss. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat 18 bedeutsame Pflanzen und pflanzliche Zubereitungen ausgewählt und sie auf ihre gesundheitliche Wirkung hin überprüft.
Acht pflanzliche Stoffe wurden vom BfR als gesundheitsschädlich eingestuft! Damit sind sie nicht sicher und sollten in Nahrungsergänzungsmitteln nicht verwendet werden. Letztendlich ist aber der Hersteller für die Sicherheit verantwortlich.
- Eisenhut (Aconitum spp.): gilt als die giftigste Pflanzengattung Europas. Eine Vergiftung führt zu schweren Störungen der Nerven, des Herz-Kreislauf-Systems und des Verdauungsapparates bis hin zum Tod. Ein Gegenmittel ist bis heute nicht bekannt.
- Fingerhut (Digitalis spp.): besitzt ein breites Vergiftungsspektrum mit langanhaltender Wirkung
- Meerträubel (Ephedra spp.): wirkt stimulierend auf den Kreislauf mit der großen Gefahr von Übelkeit, Herzrasen, Angstzuständen, Schlaflosigkeit bis hin zu lebensbedrohlichen Folgen. Die Verwendung als Zutat in Nahrungsergänzungsmitteln ist in den USA und in der EU mittlerweile verboten.
- Weißer Stechapfel (Datura stramonium): Blätter werden in der traditionellen Heilkunde bei Asthma und Bronchitis eingesetzt. Unkontrollierte Einnahmen können zu Vergiftungen mit tödlichem Ausgang führen.
- Wurmfarn (Dryopteris filix-mas): Bei innerer Anwendung drohen zahlreiche Vergiftungserscheinungen, auch mit tödlichem Ausgang durch Krampfanfälle oder Atemlähmung.
- Aztekensalbei (Salvia divinorum Epling & Jativa): halluzinogene Drogen mit hohem Missbrauchspotential
- Aristolochia (Aristolochia spp.): Schon in geringer Dosis kann der Stoff die Nieren schädigen, das Erbgut verändern und Krebs erregen. In Deutschland sind Aristolochia-haltige Arzneimittel bereits seit 1981 (vom damaligen Bundesgesundheitsamt) verboten.
- Schlangenwurzel (Rauwolfia serpentina): Eine Vergiftung führt zu schweren Störungen der Nerven, des Herz-Kreislauf-Systems und des Verdauungsapparates, was auch langfristige Schäden zur Folge haben kann
- Khat (Catha edulis) müsste, so die Empfehlung des BfR, aufgrund von psychoaktiven Inhaltsstoffen, die unter anderem das Fahrvermögen beeinträchtigen können, als Droge eingestuft werden.
Ephedrakraut (Ephedrin, Ephedra) ist seit 2015 in der EU (VO (EU) 2015/403) verboten. 2013 hatte die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA festgestellt, dass Ephedra-haltige Nahrungsergänzungsmittel, die in der Regel zur Gewichtsreduktion oder zur Verbesserung der sportlichen Leistung eingesetzt werden, und Kräutertees mit Ephedrakraut über das Internet erhältlich sind. Die in Nahrungsergänzungsmitteln enthaltenen Mengen Ephedra-Alkaloide oder Ephedrin können der therapeutischen Dosis in Arzneimitteln entsprechen oder diese sogar übersteigen. Das kann schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und das zentrale Nervensystem (wie Bluthochdruck oder Schlaganfälle) haben. Durch eine kombinierte Aufnahme mit Koffein können diese noch verstärkt werden.
Die Verwendung der Baumrinde von Yohimbe (Pausinystalia yohimbe) und daraus hergestellten Zubereitungen ist seit 15. Mai 2019 mittels Verordnung (EU) 2019/650 in Nahrungsergänzungen und anderen Lebensmitteln verboten.
Ebenso verboten sind seit Frühjahr 2021 Aloe-Emodin, Emodin, Danthron und Aloe-Extrakte, die Hydroxyanthracen-Derivate (Anthrachinone) enthalten. Unter Beobachtung stehen aktuell Zubereitungen aus Faulbaum-Rinde (Rhamnus frangula L., Rhamnus purshiana DC.), sowie aus Sennes-Blättern und -Früchten. Für Rhabarber-Wurzel (Rheum palmatum L., Rheum officinale Baillon und ihre Hybride) liegt inzwischen eine Bewertung der EFSA vor , wonach die Sicherheit nicht gewährleistet ist. Eine Regelung der EU-Kommission dafür wird erwartet.
Für Grüntee-Extrakte (EGCG) und Red-Rice-Produkte gibt es Mengenbeschränkungen.
Wissenschaftliche Daten fehlen
Für 5 weitere Pflanzenstoffe fehlen Informationen zur Gesundheitsgefahr, oder es existieren wissenschaftliche Unsicherheiten. Bis eindeutige Studien zur Sicherheit vorliegen, sollte diese Zutaten besser nicht mit Nahrungsergänzungsmitteln verzehrt werden:
- Schlafbeere (Withania somnifera) (auch als Ashwagandha bezeichnet)
Im Oktober 2023 informierte das arznei-telegramm darüber, dass in den vergangenen Monaten international wiederholt über Leberschäden in Verbindung mit Ashwagandha berichtet wurde. Symptome wie Gelbsucht, Übelkeit, Juckreiz und Bauchschmerzen sowie Hepatitis ereigneten sich überwiegend drei bis zehn Monate nach Produkteinnahme. Die Leberschädigung bessert sich überwiegend ein bis zwei Wochen nach Absetzen und ist nach zwei bis drei Monaten abgeklungen. Allerdings ist auch ein Fall von akutem Leberversagen beschrieben, der eine Lebertransplantation erforderte. - Kudzuwurzel (Pueraria lobata)
- Erdstachelnuss (Tribulus terrestris)
- Wermut (Artemisia absinthium)
- Geißraute (Galega officinalis L.)
Was tut der Gesetzgeber?
Wie gezeigt fehlen hinsichtlich der Pflanzenstoffe aus Sicht des vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes zahlreiche gesetzliche Maßnahmen. Hier finden Sie den diesbezüglichen Forderungskatalog der Verbraucherzentralen.
Tatsächlich ist das inzwischen auch in "Europa" angekommen. Ein Bericht der Arbeitsgruppe Nahrungsergänzungsmittel, in der 26 europäische Länder aktiv sind, hat 117 Stoffe identifiziert, die aufgrund ihrer möglicherweise gefährlichen Eigenschaften ein Gesundheitsrisiko darstellen können. Daher sollten sie nicht oder nur eingeschränkt in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden. Die Leiter:innen der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde
Dafür muss die EU-Kommission nun die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mit der Bewertung dieser Stoffe beauftragen. Bestätigt die EFSA die Schlussfolgerungen, kann die Kommission die Verwendung dieser Stoffe durch eine Aufnahme in Anlage III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 (Anreicherungsverordnung) beschränken oder verbieten. Für die verbleibenden 105 Stoffe werden weitere regulatorische Maßnahmen empfohlen, z.B. die Aufnahme bestimmter Stoffe in den Novel-Food-Katalog. Es wird also noch einige Zeit dauern, bis etwas passiert. Aber ein wichtiger Schritt ist getan.
Download:
Quellen:
BfR (2024): Ashwagandha: Schlafbeeren-Präparate mit möglichen Gesundheitsrisiken. BfR-Mitteilung 39/2024 vom 10.09.2024
BVL (2024): Gleiche Regeln für Nahrungsergänzungsmittel in Europa. Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde
Bundesinstitut für Risikobewertung (2024): Natürliche Giftstoffe in Lebensmitteln: Gesundheitliche Risiken sind vielen nicht bekannt. Pressemeldung 14/2024 vom 15.05.2024
BVL (2024): Stofflisten des Bundes und der Bundesländer (Pflanzen, Pilze, Algen). Stand: März 2024 (zuletzt abgerufen am 06.06.2024)
Bundesinstitut für Risikobewertung (2013): Risikobewertung von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen, BfR-Wissenschaft 12/2013), 2. ergänzte Auflage
EFSA-Gremium für Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmitteln zugesetzte Nährstoffquellen (ANS-Gremium) (2013): Scientific Opinion on safety evaluation of Ephedra species for use in food. EFSA Journal 2013;11(11): 3467.
Verordnung (EU) 2019/650 vom 24. April 2019 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Yohimbe (Pausinystalia yohimbe (K. Schum) Pierre ex Beille)
Verordnung (EU) 2021/468 der Kommission vom 18. März 2021 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf botanische Arten, die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten
EFSA (2013): Scientific Opinion on the evaluation of the safety in use of Yohimbe (Pausinystalia yohimbe (K. Schum.) Pierre ex Beille). EFSA Journal 11 (7):3302
BfR (2007): Risikobewertung maca-haltiger Nahrungsergänzungsmittel (zuletzt abgerufen am 06.06.2024)
Phua DH, Zosel A; Heard K (2009): Dietary supplements and herbal medicine toxicities—when to anticipate them and how to manage them. International Journal of Emergency Medicine 2: 69–76
Fontana R et al. (2023): AASLD practice guidance on drug, herbal, and dietary supplement–induced liver injury. Hepatology 77 (3): 1036-1065
Leberschäden durch Nahrungsergänzungsmittel mit Ashwagandha. arznei-telegramm vom 20.10.2023 (zuletzt abgerufen am 06.06.2024)
Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit LAVES (2023), Nahrungsergänzungsmittel - gesund und sicher? Immer mehr Nahrungsergänzungsmittel enthalten Pflanzenextrakte, Oktober 2023 (zuletzt abgerufen am 06.06.2024)
BfR2GO, Ausgabe 2/2023, Schwerpunkt: Pflanzeninhaltsstoffe, Dezember 2023 (zuletzt abgerufen am 06.06.2024)
EFSA (2024): Scientific Opinion on additional scientific data related to the safety of preparations of Rheum palmatum L., Rheum officinale Baill. and their hybrids, Rhamnus purshiana DC., Rhamnus frangula L. and Cassia senna L. EFSA Journal 22 (5): e8766