Dorian Lötzer: Habt ihr auch schon mal verpasst, einen Vertrag rechtzeitig zu kündigen und euch darüber geärgert, dass er dann automatisch verlängert wurde? Je nach Vertrag kann das nicht nur ärgerlich, sondern auch ziemlich teuer sein.
Verbraucherunfreundliche Verträge sind schon lange ein Thema, das die Verbraucherzentralen beschäftigen. Mit dem fairen Verbraucherverträgegesetz sind dieses Jahr Änderungen beschlossen worden, die hier ansetzen wollen.
Doch was ändert dieses Gesetzespaket an unserem Alltag? Worauf muss ich in Zukunft beim Vertragsabschluss achten? Und: Gehen die Änderungen weit genug? All das gibt es jetzt.
Mein Name ist Dorian Lötzer – willkommen bei Genau Genommen!
Es kommt nicht oft vor, dass ich versuche, mich in die Nuancen von Gesetzesänderungen einarbeite. Doch das Faire Verbraucherverträgegesetz ist ein guter Anlass, das diesmal zu tun. Denn es ändert sich schon das ein oder andere, was Auswirkungen auf unseren Alltag haben wird.
Um diese zu verstehen, habe ich mir Hilfe in den Podcast in Form von Gabriele Bernhardt eingeladen.
Gabriele Bernhardt: Mit dem Gesetz für faire Verbraucherverträge sollten unfaire Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern reduziert werden. Das heißt: seit vielen Jahren wissen wir aus den Beratungen, dass Verbrauchern zum Beispiel Verträge am Telefon untergeschoben werden und hier haben die Verbraucherzentrale und auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen sich verwendet, dass eine gesetzliche Änderung erreicht wird, um Verbraucherinnen besser zu schützen.
Dorian Lötzer: Gabriele Bernhardt ist Rechtsanwältin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und leitet dort die Stabstelle Recht. Und sie hat mir auch erklärt, warum eine Änderung im Recht überhaupt notwendig war.
Gabriele Bernhardt: Verbraucher sollen davor geschützt werden, dass sie in Verträge rein tappen, die sie so gar nicht wollten. Dass sie am Telefon einmal zu oft ja sagen und Vertrag an der Backe haben, den sie nicht wollten beziehungsweise, dass sie sich, wenn sie ihre Lebensumstände sich verändern, leichter aus Verträgen lösen können.
Dorian Lötzer: Das ging nämlich bisher gar nicht so einfach. Wenn man nämlich z.B. einen Handyvertrag hatte, dessen Erstlaufzeit – also für wie lange der Vertrag beim Abschluss gilt – 2 Jahre ist, konnte es gut sein, dass man die Kündigungsfrist verpasst und auf einmal ein weiteres Jahr zahlen muss. Der Vertrag wurde automatisch verlängert. Und Handyverträge sind da nur ein Beispiel.
Gabriele Bernhardt: Es sind viele Verbraucher betroffen. Sagen wir es einfach mal so jeder, der bisher die letzten Jahre in Dauerschuldverhältnis abgeschlossen hat, hatte unter Umständen im Kleingedruckten stehen, dass, wenn er nicht rechtzeitig kündigt, der Vertrag sich um ein Jahr verlängert. Jeder, der einen Schneeräumdienst, einen Winterdienst beauftragt hatte, in einem Dauerschuldverhältnis und den Vertrag nicht rechtzeitig kündigt, hatte diesen Schneeräumdienst vielleicht noch ein Jahr länger an der Backe, weil er nicht rechtzeitig gekündigt hat. Das sind viele, viele alltägliche Verträge. Es geht hier um langdauernde Verträge, um Belieferungen mit Energieleistungen, um Nachhilfeunterricht, den ich gebucht habe für meine Tochter, der über einen langen Zeitraum geht - Es geht um diese lang dauernden Verträge und hier hat der Gesetzgeber jetzt eine Regelung gefunden, dass die Verbraucher:innen sich besser aus diesen Verträgen lösen können.
Dorian Lötzer: Wie ihr euch aber vielleicht vorstellen könnt, ist das juristisch nicht mit einer neuen Regel ganzheitlich umgesetzt worden. Es geht hier um eine Reihe von Änderungen in verschiedenen Gesetzen, die auch verschiedene Arten von Verträgen regulieren. Vorstellen möchte ich davon drei, die konkrete Vorteile für uns schaffen sollen. Die Erste setzt bei den schon erwähnten verpassten Kündigungsfristen an.
Gabriele Bernhardt: eine der wichtigsten Änderungen in meinen Augen ist tatsächlich, was ich eben auch schon angesprochen hatte, die Kündigungsmöglichkeit bei Dauerschuldverhältnissen. Wenn ich einen Vertrag eingehe über die Belieferung von Zeitschriften (ein Abonnement), wenn ich einen Vertrag eingehe, dann schließe ich diesen Vertrag üblicherweise über eine Erstlaufzeit ab. Das heißt ich verpflichte mich, die Zeitung mal für 2 Jahre zu beziehen. Nach den 2 Jahren habe ich das oft vergessen, dass ich dann 3 Monate vor Vertragsende - so ist es bisher - dass ich 3 Monate vor Vertragsende kündigen muss, um nicht die Zeitung ein weiteres Jahr zu beziehen. Jetzt mit den Veränderungen, die jetzt hier im DGB festgeschrieben worden sind, kann künftig der Anbieter im Kleingedruckten nicht mehr diese automatische Verlängerung festschreiben. Künftig kann ich nach dieser Erstvertragslaufzeit, die ich eingehe und die mir auch bewusst ist – sagen wir mal von 2 Jahren, ich will 2 Jahre lang die Zeitung abonnieren - kann ich nach Ablauf dieser 2 Jahre immer mit einem Monat den Vertrag kündigen. Mit einer Kündigungsfrist von einem Monat - ich kann also jederzeit aussteigen.
Dorian Lötzer: Mit dieser Änderung sind wir also davor geschützt, dass unsere Verträge sich automatisch um noch ein Jahr verlängern – wir können nach Ablauf der Erstlaufzeit immer mit einer Frist von einem Monat den Vertrag kündigen. Dennoch gibt es hier ein großes „aber“: Diese Änderungen gelten nur für die Verträge, die nach dem 1. März 2022 geschlossen werden. Unsere momentan laufenden Verträge sind davon nicht betroffen. Mit einer wichtigen Ausnahme: Im Telekommunikationsbereich gilt diese neue Kündigungsmöglichkeit schon seit dem 1. Dezember 2021.
Das scheint etwas verwirrend – ist es auch. In der Praxis heißt das aber, dass alle eure Telekommunikationsverträge schon von der Änderung der Kündigungsfrist betroffen sind, während in allen anderen Bereichen das nur für die Verträge gilt, die ihr nach dem 1. März 2022 abschließt.
Die zweite große Änderung bezieht sich wiederum nur auf unsere Energielieferungsverträge – sprich: die Verträge, die regeln, von wem wir Strom, Wärme oder Gas erhalten. Vielleicht kennt ihr die Situation: Ein Vertreter oder eine Vertreterin von einem Energieanbieter steht vor der Haustür oder ruft an. Sie fragt, welche Art von Vertrag man momentan hat. Ob man zufrieden ist. Ob man darüber nachdenken würde, Anbieter zu wechseln. Man selbst fühlt sich etwas überrumpelt, hat nämlich bis eben noch an einer E-Mail gesessen und hat eigentlich weder Zeit noch Lust, sich mit dem eigenen Energielieferungsvertrag auseinanderzusetzen, will aber auch nicht unhöflich erscheinen. Man hört also halbherzig zu und antwortet knapp auf die Fragen.
Darauf pochen solche Anbieter unter Umständen und versuchen uns schnell an neue Verträge zu binden. Wenn man sich da überrumpelt fühlt, nicht richtig aufpasst und ein paar Mal zu oft „ja“ sagt, hat man vielleicht direkt einen neuen Vertrag an der Backe. Hier setzt die zweite Änderung – die sogenannte „Bestätigungslösung“ – an.
Gabriele Bernhardt: Wir haben so oft Beschwerden gehört und hilflose Verbraucher denen ein Vertrag auf gequatscht worden ist (im Treppenhaus oder am Telefon) und die gar nicht, wussten, dass sie jetzt hier tatsächlich eingewilligt haben, in einen Wechsel ihres Energielieferanten, ihres Gaslieferanten. Hier muss in Zukunft vom Anbieter dieser Vertrag in Textform vorgelegt werden. Das heißt der Verbraucher bekommt die Möglichkeit, sich den Vertrag nochmal in Ruhe anzuschauen und dann muss und darf der Verbraucher, wenn er den Vertrag auch wirklich will, dem Vertrag wiederum in Textform zustimmen. Das heißt er keine Emails schicken oder eine SMS oder auch eine WhatsApp oder ein Schreiben an den Anbietern kann sagen ja, den Vertrag will ich. Aber vorher kommt der Vertrag nicht zustande. Das ist ein wesentlicher Vorteil – eine wesentliche Erleichterung.
Dorian Lötzer: Anders als bei der veränderten Kündigungsfrist, müssen wir hier nicht bis März 2022 warten. Diese Bestätigungslösung gilt nämlich schon seit Ende Juli 2021!
Die dritte große Änderung, die ich vorstellen möchte, nennt sich „Kündigungsbutton“. Vielen von euch ist vielleicht schon aufgefallen, wie viel einfacher es ist, online einen Vertrag zu schließen, als einen zu kündigen. Wenn wir was kaufen sollen, sind die notwendigen Seiten und Knöpfe möglichst einfach zu finden. Um ein Kündigungsformular zu finden, muss man sich unter Umständen durch etliche Unterseiten klicken und unter Umständen noch einen Brief schreiben oder sich in eine Telefonschleife einwählen. Ich weiß noch, als ich mal ein Zeitungsabo kündigen wollte und dafür mehrere Stunden in einer Telefonschleife gehangen habe, weil ich nirgends online meinen Vertrag kündigen konnte.
Und das soll sich mit dem Kündigungsbutton ändern.
Dietlinde Bleh: Ja also der Kündigungsbutton, den kann man sich ähnlich wie den Kaufbutton vorstellen. Also ich glaube unter dem Kauf Button können sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher - oder haben eine Vorstellung davon, was es damit auf sich hat. Wenn man online eben Produkte bestellen möchte, dann hat man ja zum Schluss häufig dieses diesen Button „jetzt zahlungspflichtig bestellen“ und so ähnlich soll eben auch in Zukunft der Kündigungsbutton gestaltet sein. Mit dem Kündigungsbutton werden die Kündigungsmöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher erweitert und erleichtert. Also er kommt quasi on top zu den normalen Kündigungsmöglichkeiten oder zu denen, die wir bisher kennen, also per Post oder per E-Mail kündigen dazu.
Dorian Lötzer: Hier spricht Dietlinde Bleh – Referentin des verbraucherzentrale bundesverbands. Und sie hat mir erklärt, dass ein solcher Button nun auf allen Webseiten eingeführt werden soll, wo man auch ein Dauerschuldverhältnis starten kann. Dadurch soll die Diskrepanz zwischen wie einfach es ist, einen Vertrag abzuschließen und wie schwierig es ist, einen zu kündigen, verringert werden.
Dietlinde Bleh: So und das Gesetz also, die Vorgaben des Gesetzes sind schon sehr konkret. Und zwar ist es so, dass zunächst einmal auf der Website eine sogenannte Kündigungsschaltfläche zu finden sein muss und auf dieser Schaltfläche soll draufstehen „Verträge hier kündigen.“ Und damit soll der Pfad der Kündigung eingeleitet werden. Also da soll quasi klar sein, dass es jetzt eben los geht und diese Schaltfläche muss auch ständig verfügbar und unmittelbar und leicht zugänglich sein.
Dorian Lötzer: Das sieht dann zum Beispiel so aus, dass wenn ich zur Website meines Handyvertragsanbieters gehe, da nun gut auffindbar ein Link existieren wird, der „hier Vertrag kündigen“ oder ähnlich heißen wird.
Praktisch vorstellen kann man sich den Prozess parallel zu dem, mit dem wir online etwas kaufen. Statt des Checkouts über den Warenkorb geht man nun halt über den „Vertrag kündigen“ link und kommt auf eine Seite, wo man die Angaben zum eigenen Vertrag machen kann. Das wären zum Beispiel die Vertrags- oder Kundennummer und die eigenen Daten – beim Kaufen würden wir hier unsere Adress- und Zahlungsdaten angeben. Und im letzten Schritt kommen wir dann zum Kündigungsbutton, wo statt „jetzt zahlungspflichtig bestellen“, „jetzt Vertrag kündigen“ steht.
Und damit wir sicherstellen können, dass auch alles mit der Kündigung geklappt hat, wurde hier auch nachgeregelt.
Dietlinde Bleh: Also erfreulicherweise wurde das mit geregelt und zwar ist es so, dass der Unternehmer dem Verbraucher den Zugang auch sofort auf elektronischem Wege zu bestätigen hat. Und die Verbraucherinnen und Verbraucher dann eben auch das sichere Wissen darüber haben, dass die Kündigung auch dort eingegangen ist.
Dorian Lötzer: Und um das auch so nutzerfreundlich wie möglich zu machen, muss man den Prozess auch durchgehen können, ohne ein Nutzerkonto anlegen zu müssen. Durch die sofortige elektronische Eingangsbestätigung hat man auch nicht die Sorge, die man hat, wenn man einen Brief mit einer Kündigung verschickt und über Wochen nicht weiß, ob dieser auch angekommen ist und bearbeitet wurde. Der Kündigungsbutton ist also praktisch lediglich ein weiterer Weg, neben beispielsweise der Kündigung per Post, Dauerschuldverhältnisse zu beenden. Das heißt aber, dass die Umstände und Bedingungen der Kündigung sich nicht ändern – wie zum Beispiel der Kündigungszeitpunkt.
Dietlinde Bleh: Bei der ordentlichen Kündigung ist das so. Das heißt, wenn das Vertragsende als Beispiel als der 31.12. vereinbart ist und ich den Kündigungsbutton im März bereits betätige, dann würde der Vertrag zum 31.12. beendet werden. Und das ist auch so, wenn man keinen Zeitpunkt eingibt in dieser Eingabemaske, dann wirkt die Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Das wäre dann, wie gesagt hier auch der 31.12. Also eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit eröffnet der Kündigungsbutton nicht.
Dorian Lötzer: So lange müssen wir auf den Kündigungsbutton auch gar nicht mehr warten, die Regelung tritt nämlich schon zum 1. Juli 2022 in Kraft. Und dann sind Anbieter auch verpflichtet, den Button einzuführen, denn:
Dietlinde Bleh: Wenn der Unternehmer die Vorgaben zum Kündigungsbutton nicht entsprechend umsetzt, dann ist es so, dass Verbraucherinnen und Verbraucher den Vertrag jederzeit und zwar ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen können.
Dorian Lötzer: Mit den veränderten Vertragsverlängerungen, der Bestätigungslösung für Energielieferverträge und dem Kündigungsbutton sind drei wichtige Regelungen geschaffen, um unseren täglichen Umgang mit Verträgen zu vereinfachen und fairer zu gestalten. Klar, es wurden mit dem Gesetzespaket auch andere Sachen verändert, aber diese drei sind die, die ich für uns am wichtigsten eingeschätzt habe.
Aber wie sehen die Expertinnen das? Wie verbraucherfreundlich ist das Gesetzespaket als Ganzes?
Dietlinde Bleh: Insgesamt ist es ein guter Erfolg für Verbraucherinnen und Verbraucher. Gleichwohl sehen wir doch noch an wesentlichen Punkten Nachbesserungsbedarf beziehungsweise neue To-Dos für die neue Bundesregierung. Zum einen muss der Schutz vor telefonisch untergeschobenen langfristigen Verträgen auf alle Branchen ausgeweitet werden. Darüber hinaus sollte die erste Vertragslaufzeit auf maximal 12 Monate begrenzt werden und es sollte 14-tägiges Widerrufsrecht für alle langfristigen Verträge in Ladengeschäften eingeführt werden.
Dorian Lötzer: Während wir also einige Besserungen haben, gibt es weiterhin Ausbaumöglichkeiten. Nichtsdestotrotz bin ich froh, dass die Änderungen, die wir bekommen haben, auch so eingeführt worden sind. Besonders freue ich mich, dass ich bald schneller und einfacher aus Verträgen komme, weil ich was sowas angeht echt faul bin und schon oft Kündigungsfristen verpasst habe. Ansonsten kann man sich merken: Energieanbieter müssen uns nach dem Gespräch am Telefon die Verträge zuschicken; 1-monatige Kündigungsfirst nach Erstlaufzeit für neue Verträge nach dem 1. März 2022; neuer Kündigungsbutton ab dem 1. Juli 2022.
Für mehr Infos zu diesem und vielen anderen Thema schaut gerne bei verbraucherzentrale.de vorbei.
Wenn ihr mir schreiben wollt, könnt ihr das gerne an podcast@vz-bln.de schicken.
Mein Name ist Dorian Lötzer und heute haben wir die fairen Verbraucherverträge genau genommen.