Das Wichtigste in Kürze:
- Niacin wird für zahlreiche Stoffwechselvorgänge im Körper benötigt.
- Ein Niacin-Mangel ist bei gesunden Personen, die sich abwechslungsreich ernähren, selten
- Achtung: Zu hohe Dosierungen können zu Hautrötungen, Hitzegefühl, Durchfall, Erbrechen und sogar Leberschädigungen führen.
Was steckt hinter der Werbung zu Niacin?
Niacin, auch Vitamin B3 genannt, soll laut Werbung die Gesundheit des Herzens unterstützen, den Cholesterinspiegel senken, die mentale Energie, Motivation, gute Laune und Konzentration fördern sowie für gesunde, schöne Haut, und Haare sorgen "jugendlich frisches Aussehen", sozusagen eine Art Anti-Aging-Mittel. Doch die meisten dieser Werbeversprechen sind wissenschaftlich nicht gesichert.
Von der EU-Kommission sind nach Prüfung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) folgende gesundheitsbezogene Angaben zugelassen:
- Niacin trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel bei
- Niacin trägt zu einer normalen Funktion des Nervensystems bei
- Niacin trägt zur normalen psychischen Funktion bei
- Niacin trägt zur Erhaltung normaler Schleimhäute bei
- Niacin trägt zur Erhaltung normaler Haut bei
- Niacin trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei
Die empfohlene Zufuhrmenge von 11 bis 17 Milligramm Niacin-Äquivalenten wird bei der in Deutschland üblichen Ernährung erreicht bzw. überschritten. Eine zusätzliche Ergänzung bringt in der Regel keine gesundheitlichen Vorteile.
Nicotinsäure, eine andere Form dieses Vitamins, wurde früher als Arzneimittel zur Verbesserung des Cholesterinspiegels eingesetzt. Diese Medikamente wurden aber 2013 wegen eines negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses vom Markt genommen.
Einige - meist im Internet angepriesene - Produkte sollen in Form einer Kur über sechs Wochen eingesetzt werden, um den Körper zu "reinigen". Für gesundheitliche Vorteile einer solchen Kur gibt es allerdings keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte. Im Gegenteil: Die für eine Kur empfohlene Tagesdosis zwischen 100 Milligramm und 5.000 Milligramm Nikotinsäure stellt nach Auffassung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ein gesundheitliches Risiko dar.
Worauf sollte ich bei der Verwendung von Niacin achten?
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt in Nahrungsergänzungsmitteln nicht mehr als 160 Milligramm Nicotinsäureamid (Nicotinamid, Niacinamid), 4 Milligramm Nicotinsäure oder 4,4 Milligramm Inosithexanicotinat (Inositolniacinat) pro Tag. Empfohlen wird auch, dass Nahrungsergänzungsmittel mit einer Tagesdosis von mehr als 16 Milligramm Nicotinamid einen Hinweis tragen, wonach Schwangere auf das Produkt verzichten sollten.
Zu hohe Dosierungen von Nicotinsäure (Tagesdosen von über 30 Milligramm ) können zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Häufige Überdosierungserscheinungen sind sogenannte "Flush Symptome". Dazu gehören Hautrötungen, Hitzegefühl „Hot Flash“ sowie Nesselsucht mit stark juckenden Quaddeln.
Achtung: Derartige Symptome sind unabhängig von der Dosierung kein Zeichen der Wirksamkeit, wie manche Verkäufer behaupten, sondern ein Warnsignal, die Produkteinnahme sofort zu beenden.
Bei sehr hohen Dosierungen von mehreren Gramm Nicotinsäure kann es zu Durchfall, Übelkeit und Erbrechen kommen. Langfristige Folgen sind im schlimmsten Fall sogar Gelbsucht, die Schädigung der Leber oder Probleme mit dem Glukose-Stoffwechsel. Auch schwere Augenschäden bis hin zur Erblindung (Niacin-induzierte Makulopathie), Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte als (reversible) Folge sind bekannt. Deshalb sollte laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Gesamtzufuhr an Nicotinsäure 10 Milligramm täglich nicht überschreiten. Nahrungsergänzungsmittel mit Verzehrsempfehlungen bis hin zu mehreren Gramm pro Tag betrachten die Verbraucherzentralen und das BfR als nicht sichere - und somit nicht verkaufsfähige - Lebensmittel. In den letzten Monaten hat es mehrfach Rückrufe von Nahrungsergänzungsmitteln gegeben, weil zu viel Nicotinsäure verwendet wurde. Welche Produkte betroffen waren, können Sie auf unserer Seite mit Verbraucherwarnungen nachschauen.
Aktuell wird diskutiert, dass Abbauprodukte (Metabolite) von Niacin im Körper das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen könnten. Nehmen Sie daher nicht mehr als Niacin als Nahrungsergänzung, als vom BfR empfohlen (siehe oben).
Problematisch sind auch Wechselwirkungen mit Medikamenten, zum Beispiel mit oralen Antidiabetika oder gerinnungshemmenden Arzneimitteln. Daher sollten Sie zumindest bei Einnahme von Medikamenten die Verwendung von niacinhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln immer zuvor im Arztgespräch klären.
Diese Vitaminverbindungen sind gemäß EU-Richtlinie 2002/46/EG, Anhang II (Fassung vom 30. September 2022) für Niacin in Deutschland und anderen EU-Ländern in Nahrungsergänzungsmitteln zugelassen:
- Nicotinsäure
- Nicotinamid
- Inosithexanicotinat (Inositolniacinat)
- 1-Methylnicotinamidchlorid (synthetisch, neuartig)
- Nicotinamid-Ribosidchlorid (synthetisch, neuartig)
Weitere synthetische Niacin-Verbindungen befinden sich derzeit noch im Zulassungsverfahren als neuartige Lebensmittelzutat.
Wofür braucht der Körper Niacin?
Niacin umfasst verschiedene wasserlösliche Verbindungen mit ähnlicher chemischer Struktur, darunter Nicotinsäure und Nicotin(säure)amid. Der Körper kann Niacin aus der Aminosäure Tryptophan, einem Eiweißbaustein, selbst bilden.
Niacin ist für viele Vorgänge im Körper unerlässlich. Neben dem Auf- und Abbau von Kohlenhydraten, Aminosäuren und Fettsäuren ist Niacin ebenfalls an der Zellteilung und der Signalweiterleitung beteiligt. Auch für die Funktion des Immunsystems spielt Niacin eine Rolle.
Kann ich meinen Tagesbedarf an Niacin über die Nahrung decken?
Obwohl Niacin vom menschlichen Körper selbst produziert werden kann, muss das Vitamin für die Deckung des Tagesbedarfes mit der Nahrung aufgenommen werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 11 bis 17 Milligramm Niacin-Äquivalenten. Das umfasst neben Niacin selbst auch Verbindungen wie Tryptophan, die der Körper in der Leber zu Niacin umwandeln kann.
Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlene tägliche Zufuhr an Niacin wird in der Regel erreicht und sogar überschritten. Ein Niacin-Mangel kommt in Deutschland eigentlich nur als Folge von Krankheiten wie Alkoholismus, Magersucht, bei chronischem Durchfall oder Leberzirrhose vor. Eine Nahrungsergänzung ist deshalb meist unnötig.
Downloads:
Quellen:
BfR (2024): Aktualisierte Höchstmengenvorschläge für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherten Lebensmitteln. Stellungnahme Nr. 006/2024 vom 22.02.2024
BfR (2024): Höchstmengenvorschläge für Niacin in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmitteln
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Die Einnahme von Nicotinsäure in überhöhter Dosierung kann die Gesundheit schädigen. Stellungnahme Nr. 018/2012 vom 06.02.2012
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Ausgewählte Fragen und Antworten zu Niacin. Stand Februar 2015, abgerufen am 03.08.2023
Hahn, A./Ströhle, A./Wolters, M. Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2. Auflage (2006)
Max-Rubner-Institut. Nationale Verzehrsstudie II. Ergebnisbericht, Teil 2. (2008)
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LEE JG et al. (2019): Optical Coherence Tomography, Fluorescein Angiography, and Electroretinography Features of Niacin Maculopathy: New Insight Into Pathogenesis. Journal of Vitreo Retinal Diseases 3 (6)
EFSA (2019): Safety of nicotinamide riboside chloride as a novel foodpursuant to Regulation (EU) 2015/2283 and bioavailability of nicotinamide from this source, in the context of Directive 2002/46/EC
EFSA (2017): Safety of 1-methylnicotinamide chloride (1-MNA) as a novelfood pursuant to Regulation (EC) No 258/97
Ferrell M et al. (2024): A terminal metabolite of niacin promotes vascular inflammation and contributes to cardiovascular disease risk. Nature Medicine 30: 424–434
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