L-Carnitin bringt Energie in die Zellen. Aber Studien zeigen Risiken, „verbrannt“ wird eher nur Geld.
Was steckt hinter der Werbung zu L-Carnitin?
Beworben wird Carnitin vor allem als "Fatburner", also als "Fettverbrenner". In Internetforen können Sie beispielsweise lesen: "der Turbo für den Fetttransport", "die schnelle Versorgung für einen straffen und gut definierten Körper" oder "ohne ausreichend L-Carnitin kann Ihr Körper nicht genügend Fett verbrennen".
Als Nahrungsergänzungsmittel wird es vor allem mit einer Steigerung der Leistungs- und Regenerationsfähigkeit von Sportlern beworben. Auch zur Gewichtsreduktion wird es angeboten. Hersteller behaupten, dass durch die Einnahme hoher Carnitinmengen die Energiegewinnung aus Fett beschleunigt wird. Glykogenreserven sollen während der sportlichen Aktivität geschont werden. Angeblich ermüdet die Muskulatur dann später.
Da L-Carnitin an der Energiegewinnung in der Zelle beteiligt ist, liegt die Annahme nahe, dass ein Extra als "Fettverbrenner" wirkt. Studien haben aber gezeigt, dass eine zusätzliche Aufnahme in Form von Tabletten den Carnitingehalt in den Muskelzellen unter normalen Bedingungen nicht steigern kann. Auch die Geschwindigkeit der Fettverbrennung wird nicht erhöht. Der Fettanteil des Körpers verändert sich nicht. Ein Carnitin-Überschuss wird mit dem Urin ausgeschieden.
Damit L-Carnitin in die Muskelzelle aufgenommen wird, sind hohe Insulinkonzentrationen notwendig. In Untersuchungen mit Sportlern wurde deshalb L-Carnitin mit großen Mengen Zuckerlösung über mehrere Monate konsumiert. Stoffwechselprozesse konnten beeinflusst werden. Allerdings blieb offen, ob auch die Leistung beeinflusst werden kann oder ob ein Effekt auch mit normalen Mahlzeiten möglich ist.
Die von Anbietern zur Zulassung beantragten Health Claims:
- "Förderung des Energiestoffwechsels",
- "Beitrag zu einer normalen Hirnfunktion"
- "Steigerung der Ausdauerleistung"
wurden von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA als wissenschaftlich nicht gesichert zurückgewiesen. Auch ein Einfluss auf den "normalen Fettstoffwechsel" konnte nicht belegt werden und die Aussage wurde 2018 ebenfalls abgelehnt.
In zwei Übersichtsstudien (systematische Reviews) aus 2020 wurde festgestellt, dass L-Carnitin bei übergewichtigen und fettleibigen Personen eine bescheidene reduzierende Wirkung auf das Körpergewicht haben könnte, wenn es gleichzeitig zu einer Lebensstiländerung kommt. Die Forschenden betonen aber, dass die Wirkung nicht mit der Zufuhrmenge steigt und mit zwei Gramm pro Tag die maximale Wirkung erreicht ist.
Auch Sporttreibende haben, wie die Allgemeinbevölkerung, keinen Mangel an L-Carnitin. Über die Nahrung werden große Mengen aufgenommen. Zu einer geringeren Versorgung kann es höchstens kommen, wenn Sie Leistungssport betreiben und sich rein vegan ernähren. Aber auch bei Veganer:innen wurden bisher keine Anzeichen eines Carnitin-Mangels beobachtet.
Auf was sollte ich bei der Verwendung von L-Carnitin-Produkten achten?
- Die häufig von Herstellern empfohlene Aufnahme von 3 Gramm pro Tag ist im Vergleich zum normalen Tagesbedarf von etwa 16 mg sehr hoch. Überschüssiges Carnitin wird schnell über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden. Bei größeren Mengen (ab ca. 4 Gramm/Tag, ab 1 Gramm pro Einzeldosis) können Sie allerdings Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall bekommen. Konsumieren Sie deshalb auf keinen Fall Produkte ohne genaue Angabe des Carnitin-Gehalts. Drei Gramm L-Carnitin-Tartrat bedeuten ungefähr zwei Gramm L-Carnitin. Die biologisch nicht aktive D-Form kann negative Wirkungen haben, z. B. kann sie L-Carnitin-Speicher leeren.
- Bei der Aufnahme von großen Mengen Carnitin kann es zu einem fischigen Mund- und Körpergeruch kommen, den die Betroffenen selber oft gar nicht wahrnehmen. Durch eine Verringerung der Dosis geht diese Begleiterscheinung zurück.
- Die Verwendung von Carnitin am Abend kann zu Einschlafproblemen führen.
- Nach neuen Erkenntnissen könnten Carnitin-Produkte (wie auch zu viel rotes Fleisch) das Wachstum von bestimmten Darmbakterien fördern. Diese wiederum bilden einen Stoff, der die Bildung von Gefäßablagerungen fördert und damit das Risiko für Herzerkrankungen erhöht.
Was ist L-Carnitin?
L-Carnitin ist eine Aminosäure-Verbindung, die in der Leber aus einzelnen Aminosäuren bedarfsgerecht gebildet wird. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Energiegewinnung des Körpers aus Fettsäuren. Das ist vor allem im Ausdauersport von Bedeutung, denn es dient als Transportmittel für die Fettsäuren zum Ort der Fettverbrennung in den Zellen, zu den Mitochondrien. Der Tagesbedarf wird auf 16 Milligramm geschätzt. Im menschlichen Körper werden ungefähr 20-25 Gramm gespeichert, der größte Teil davon in der Muskulatur. Wenn Sie mehr Carnitin aufnehmen, scheiden Sie es mit dem Urin wieder aus.
Carnitin ist in zahlreichen Lebensmitteln enthalten, deshalb wird geschätzt, dass täglich 20 bis 200 Milligramm verzehrt werden (abhängig vom Fleischkonsum). Wichtigste Quellen sind tierische Produkte, vor allem Rind-, Wild- und Schweinefleisch, aber auch Pilze. Falls Sie sich von Tierischem und Pflanzlichem ernähren, ist Ihr Bedarf an Carnitin mehr als gedeckt. Obwohl vegetarisch Essende nur ungefähr ein Zehntel dessen aufnehmen, ist auch bei ihnen ein Mangel äußerst selten. Selbst bei großen Aufnahmemengen nutzt Ihr Körper nur einen geringen Teil davon.
Carnitin wird als Nahrungsergänzungsmittel in Kapselform, als Kautabletten, Pulver oder flüssig in Ampullen verkauft. Gleichzeitig wird es als Kombi-Produkt mit Omega-3-Fettsäuren , Magnesium oder Vitaminen angeboten sowie als Zusatz in Eiweißshakes und Kohlenhydratgelen. In Produkten findet man die Substanz z.B. als Acetylcarnitin, Carnitin-Hydrochlorid oder Carnitin-Tartrat. Präparate sind in Drogeriemärkten, Apotheken, Sportstudios und übers Internet (z.B. für 0,50 bis 1,50 € pro Tagesdosis) erhältlich.
Manche Carnitin-Kapseln oder –Pulver werden als vegan beworben. Die Herkunft des Carnitins wird nicht angegeben. Deshalb ist es unklar, ob die Substanz aus Pilzen gewonnen wird oder ob sie von (ggf. gentechnisch veränderten) Mikroorganismen erzeugt wurde, was deutlich preiswerter ist. Mikroorganismen (Bakterien, Hefen und Pilze) sind nicht tierischen Ursprungs und werden deshalb auch in Lebensmitteln verwendet, die als „vegan“ ausgelobt sind.