Basische Mineralstoffe aus dem Tütchen als schnelle Lösung gegen "Übersäuerung"? Darum können Sie sich das Geld sparen.
Was ist von den Werbeversprechen für basische Nahrungsergänzungsmittel zu halten?
Die Werbeversprechen für basische Nahrungsergänzungsmittel sind größtenteils überzogen und fragwürdig. "Voraussetzung für Vitalität, Energie und Leistungsfähigkeit ist ein ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt, der durch Stress, schlechte Ernährung und einen ungünstigen Lebenswandel permanent gestört wird. Durch Übersäuerung der Gewebe, die der Organismus alleine nicht korrigieren kann, drohen unangenehme bis schwerwiegende gesundheitliche Folgeschäden." - Auf diesen Aussagen basieren die vollmundigen Versprechungen der Anbieter von basischen Nahrungsergänzungsmitteln. Die Produkte sollen Hilfe bei diffusen gesundheitlichen Problemen wie "Energielosigkeit" und "Störungen des inneren Gleichgewichts" bieten, aber auch ganz konkret das Immunsystem stärken und (angeblich) sogar schweren Erkrankungen wie Osteoporose, Atherosklerose oder Tumorerkrankungen vorbeugen.
Die Logik ist simpel: Da die Mehrheit der Bevölkerung lebensstilbedingt (zu viel Fleisch, zu viel Zucker, zu viel Stress) ohne es zu wissen von dem Störungsbild "Übersäuerung" betroffen ist, sind basische Nahrungsergänzungsmittel, die gerne auch als "Basenkur" beworben werden, uneingeschränkt für alle Menschen notwendig und sinnvoll.
Allerdings: Zugelassene gesundheitsbezogene Werbeaussagen für die basischen Mineralstoffverbindungen in Nahrungsergänzungsmitteln existieren nicht. Um dennoch werbewirksame Aussagen wie "trägt zu einem normalen Säure-Basen-Stoffwechsel bei" oder "trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei" nutzen zu können, setzen Hersteller zusätzlich Vitamine und Spurenelemente zu.
Einzig für Zink ist die Aussage "trägt zu einem normalen Säure-Basen-Stoffwechsel bei" von der EU im Rahmen der Health-Claims-Verordnung zugelassen – und zwar für alle erlaubten Zink-Verbindungen. Die Aussage bezieht sich also auf das Zink an sich und kann ebenso für pH-neutrale Zinkverbindungen wie Zinkchlorid oder Zinksulfat verwendet werden.
Zink ist in vielen Lebensmitteln enthalten (z.B. Vollkornprodukte - besonders gut ist Sauerteigbrot -, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen, sowie Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte), ein Zinkmangel tritt bei normaler abwechslungsreicher Mischkost sehr selten auf. Auch vegan lebende Menschen können ihren Zinkbedarf mit herkömmlichen Lebensmitteln decken, sollten die Zinkzufuhr aber im Blick behalten. Eine zusätzliche Zinkaufnahme über den tatsächlichen Bedarf hinaus hat keine positive Wirkung auf den Säure-Basen-Haushalt oder das Immunsystem.
"Basenprodukte" werden angeboten als Granulat, Trinkpulver oder Tabletten. Sie enthalten überwiegend Citrat-(Zitrat-)Verbindungen, meist als Natrium-, Calcium-, Magnesium-, Kalium- oder Zinkcitrat. Zudem sind sie sehr häufig mit Vitaminen angereichert und enthalten Süßungsmittel (Sorbit oder Isomaltulose) für einen verbesserten Geschmack. Neben Nahrungsergänzungsmitteln werden auch Heilerde (traditionelles Arzneimittel gegen Sodbrennen), Medizinprodukte oder Natriumbicarbonat (doppeltkohlensaures Natron, Back-Natron, Speisesoda, Natriumhydrogencarbonat) als "Basentherapeutika" oder "Entsäuerungskapseln" beworben.
Worauf sollte ich bei Nahrungsergänzungsmitteln zur Regulation des Säure-Basen-Haushalts achten?
- Bei einigen Nahrungsergänzungsmitteln mit Basencitraten sind sehr hohe Mengen an Mineralstoffen und Spurenelementen enthalten. Diese sind teilweise so hoch, dass sie über den Höchstmengen liegen, die vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlen werden. Diese Überschreitung ist jedoch erlaubt, denn bisher gibt es keine gesetzlichen Regelungen für Höchstmengen von Nährstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln.
- Bei Magnesium kann eine zu hohe Dosierung aber zu Magen-Darm-Beschwerden führen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt, nicht mehr als 250 mg Magnesium pro Tag in Form von Nahrungsergänzungsmitteln einzunehmen und diese Dosis auf zwei oder mehr Portionen zu verteilen.
- Achten Sie beim Kauf Bicarbonat-haltiger Nahrungsergänzungsmittel auf den Hinweis "magensaftresistent überzogen". Insbesondere Nahrungsergänzungsmittel mit Bicarbonaten sind oft nicht magensaftresistent überzogen und lösen sich daher bereits im Magen auf. Dadurch verändert sich der pH-Wert der Magensäure stark. Das ist langfristig nicht gesund: Ein möglichst konstanter pH-Wert der Magensäure ist wichtig für den Nahrungsaufschluss während der Verdauung und wird für die Aufnahme von Vitamin B12 aus der Nahrung benötigt. Auch spielt sie in der Abwehr krankmachender Keime aus Lebensmitteln (z.B. Salmonellen, Clostridien, Listerien) eine wichtige Rolle. Daher sind solche Produkte zur mittel- oder langfristigen Einnahme ungeeignet, das gilt vor allem auch für Risikopersonen.
- Citrate erhöhen bei gleichzeitiger Einnahme von aluminiumhaltigen Arzneimitteln die Aufnahme von Aluminium in den Körper. Wenn Sie Magensäureblocker (Antazida) oder andere aluminiumhaltige Medikamente einnehmen, sollten Sie zu der Einnahme von Basencitraten einen Abstand von mindestens zwei Stunden einhalten.
Wie ist das mit dem Säure-Basen-Gleichgewicht?
Der menschliche Organismus toleriert Schwankungen des Blut-pH-Wertes nur in sehr engen Grenzen (pH 7,35-7,45). Blut ist also tatsächlich ganz leicht basisch (ein pH-Wert von 7 ist neutral). Schon geringe Abweichungen von diesen Normwerten könnten gravierende Folgen für den gesamten Stoffwechsel haben. Daher gibt es im Körper mehrere leistungsfähige und sehr schnell reagierende Regulationsmechanismen, die den pH-Wert konstant halten. Überschüssige Säuren werden über die Nieren ausgeschieden bzw. über die Lunge abgeatmet.
Bei mehr oder weniger gesunden Menschen funktionieren die Puffersysteme unseres Körpers reibungslos. Sie werden mit den Säuremengen fertig, die bei sportlicher Aktivität oder beim Fasten in unserem Körper gebildet werden und auch dem Säureüberschuss, der aus einer typisch westlichen, fleisch- und eiweißbetonten, zuckerreichen und gemüsearmen Ernährung resultiert. Dieses Ernährungsmuster ist bekanntermaßen ungünstig, allerdings nicht aufgrund des Säureüberschusses.
Bei Nierenerkrankungen kann eine chronische Übersäuerung entstehen - auch akute Übersäuerungen (Azidose) bei schweren Stoffwechselentgleisungen sind möglich – diese müssen aber medizinisch behandelt werden, letztere meist auf der Intensivstation. Eine solche Stoffwechselentgleisung verläuft nicht heimlich, Sie würden sie ganz sicher bemerken.