Das Wichtigste in Kürze:
- Eine Herkunftsangabe ist für Nahrungsergänzungsmittel nicht nötig. Wird eine solche aber getätigt, darf sie nicht irreführend sein.
- Angaben zur Herkunft einzelner Stoffe bzw. des gesamten Nahrungsergänzungsmittel werden vor dem Inverkehrbringen nicht auf Richtigkeit geprüft.
- Drei Viertel aller untersuchten Nahrungsergänzungsmittel, die mit "hergestellt in Deutschland" werben, machen keine Herkunftsangaben zu den Zutaten.
- Verlassen Sie sich nicht aufgrund eines Hinweises auf deutsche Produktion auch auf deutsche Zutaten, sondern seien Sie skeptisch.
Der schnelle Blick aufs Etikett oder die Produktwebseite: eine deutsche Flagge. Nahrungsergänzungsmittel jeglicher Art werben häufig mit einer Produktion in Deutschland. Doch was heißt das eigentlich? Zutaten aus Deutschland? Zusammengemischt in Deutschland? Oder gar nur abgepackt in Deutschland?
Herkunftsangaben der Primärzutaten – nur selten angegeben
In einem Marktcheck hat die Verbraucherzentrale NRW 75 Produkte, die auf der Internetseite oder der Verpackung per Flagge oder ausformuliert mit "made in Germany" in jeglicher Form werben, unter die Lupe genommen. Drei Viertel der untersuchten Produkte gaben nicht an woher ihre wichtigsten Zutaten ("Primärzutaten") kamen.
Als Primärzutaten gelten die Stoffe, die das Nahrungsergänzungsmittel ausmachen und meist in der Beschreibung genannt sind. Das sind beispielsweise:
- Vitamine,
- Mineralstoffe,
- Pflanzenstoffe,
- Öle,
- Aminosäuren oder
- sonstige Stoffe wie Carnitin, Kreatin.
Die wenigsten davon werden nämlich in Deutschland produziert, sehr vieles kommt beispielsweise aus asiatischen Laboren. Dabei kaufen viele Menschen gerade deutsche Nahrungsergänzungsmittel, weil sie der Produktion in Deutschland das höchste Vertrauen schenken. Das ist umso verständlicher, weil ja auch die Verbraucherzentralen immer wieder vor unseriösen oder gepanschten Nahrungsergänzungsmitteln im Internet warnen.
Mehr dazu können Sie in den Artikeln "Schlank und potent mit Pillen aus dem Internet" sowie "Gewonnen und trotzdem verloren – ungewollt gedopt" nachlesen.
Alle Daten zum Marktcheck finden Sie in unserem Bericht.
Und natürlich gibt es auch noch weitere Gründe, warum Sie Produkte aus Deutschland bevorzugen könnten: Viele erwarten hier eine hohe Produktqualität nicht nur in Bezug auf Sicherheit, sondern auch hinsichtlich der Wirksamkeit. Auch gibt es höhere Erwartungen an Umweltschutz- und Arbeitsbedingungen, mehr Nachhaltigkeit durch Regionalität und kurze Wege.
Darauf sollten Sie achten
- Wenn Sie nur eine deutsche Flagge oder "hergestellt in Deutschland" auf der Verpackung oder Internetseite sehen, seien Sie skeptisch, ob die enthaltenen Inhaltsstoffe wirklich aus Deutschland stammen können. Wenn es sich um (synthetische) Vitamine oder Mineralstoffe handelt, können Sie fast unmöglich auf die Herkunft schließen. Und auch ein "natürliches Vitamin C aus Acerola" kann unmöglich aus Deutschland stammen, da hier keine Acerola-Kirschen angebaut werden.
- Seien Sie sich bewusst, dass die meisten synthetisch hergestellten Nährstoffe in Asien produziert werden.
- Und nur sehr wenige Pflanzenzutaten kommen tatsächlich aus Deutschland. Oliven- und Granatapfelbäume, Grüner Tee oder Zistrose wachsen hier nicht. Und auch Krillöl (und das wenigste Fischöl) stammt von hier.
- Auch eine Aussage wie "Laborgeprüft in Deutschland" sagt nichts darüber aus, wo die Zutaten herkommen.
- Herkunftsangaben wie "EU" und "Nicht-EU" sind nicht wirklich hilfreich, gehören doch auch Schweiz und Großbritannien nicht zur EU. Grundsätzlich gilt aber: In Deutschland und in der EU dürfen nur solche Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden, die europäischem Recht entsprechen.
- Idealerweise stehen in der Zutatenliste hinter den wichtigsten Zutaten (also das, was die Nahrungsergänzung ausmacht: Vitamine, Mineralstoffe, Pflanzenstoffe, Öle, Aminosäuren oder sonstige Stoffe wie Carnitin, Kreatin,…) das jeweilige Herkunftsland. Zumindest immer dann, wenn mit einem Hinweis auf deutsche Produktion geworben wird. Zwar nicht weniger wichtig, aber eben nicht vorgeschrieben, ist ein Hinweis auf die Herkunft beispielsweise von Füllmitteln, Laktose, Aromen, Zusatzstoffen oder Kapselhüllen.
- Sie wollen es aber genauer wissen? Dann wenden Sie sich am besten direkt an den Hersteller.
So ist die rechtliche Situation
Eine Herkunftsangabe ist für Nahrungsergänzungsmittel nicht nötig. Wird eine solche aber getätigt, darf sie niemanden täuschen.
Laut Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV), Art. 7, darf die Angabe des Ursprungslands, des Herkunftsorts oder aber des Herstellungsorts nicht den Eindruck erwecken, das Nahrungsergänzungsmittel käme aus diesem Land. Als Herkunftsangabe zählt auch die Abbildung einer deutschen Flagge auf der Verpackung oder eben Angaben wie "made in Germany", "mit Liebe in Deutschland hergestellt" oder "nach offiziellem HACCP-Konzept in Deutschland produziert".
Mit einer solchen Aussage verbinden die meisten Verbraucher:innen in Deutschland produzierte oder angebaute Hauptzutaten, wenn nicht deutlich ersichtlich – zum Beispiel im Zutatenverzeichnis – auf die wahre Herkunft der Primärzutaten hingewiesen wird.
Was eine Primärzutat ist, beschreibt Artikel 2q der LMIV: "primäre Zutat: diejenige Zutat oder diejenigen Zutaten eines Lebensmittels, die über 50 % dieses Lebensmittels ausmachen oder die die Verbraucher üblicherweise mit der Bezeichnung des Lebensmittels assoziieren und für die in den meisten Fällen eine mengenmäßige Angabe vorgeschrieben ist;". Natürlich assoziieren Verbraucher:innen mit einer Vitaminkapsel die Vitamine selber und nicht die Kapselhülle. Hinzu kommt, dass eine mengenmäßige Angabe vorgeschrieben ist.
Im Artikel 26 der Lebensmittelinformationsverordnung heißt es, dass die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts u.a. verpflichtend ist, wenn das Ursprungsland oder der Herkunftsort eines Lebensmittels angegeben und dieses/dieser nicht mit dem Ursprungsland oder dem Herkunftsort seiner primären Zutat identisch ist. Alternativ darf auch geschrieben werden, dass die primäre Zutat nicht aus Deutschland kommt.
Daran halten sich allerdings längst nicht alle Hersteller. Positive und negative Beispiele können Sie im Bericht zum Marktcheck, der auch eine Produkttabelle enthält, nachschauen.
Quellen:
Lebensmittelinformations-Verordnung (EU) 1169/2011, Fassung vom 01.01.2018
Marktcheck zu Herkunftsangaben bei Nahrungsergänzungsmitteln. Verbraucherzentrale NRW, März 2024